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Neuwahl Betriebsrat ThyssenKrupp Steel
Wahlboykott gegen Wetzel & die CDA
Bei der Wiederholung der Betriebsratswahl bei ThyssenKrupp Steel im Werk Hamborn-Beeckerwerth boykottierten 5.241 KollegInnen die Wahl. Das sind mehr als für die IG Metall gestimmt haben.

Die Neuwahl des Betriebsrats bei TKS zeigt die aktuelle Stimmung der ArbeiterInnen und Angestellten im größten Betrieb des Ruhrgebiets:



Die „Alternative“ vertritt bei den Angestellten die Politik, für die auch die IG Metall steht. Beide bilden im Betriebsrat den sozialpartnerschaftlichen Block. Die Liste 2 ist eine gemäßigte Abspaltung der früheren Interessengemeinschaft 35 Stunden-Woche, deren große Mehrheit mit der Belegschaftsliste eine gemeinsame kämpferische Oppositionsliste gebildet hat.

IGM vertritt nur 37,9 % der Belegschaft
Trotz einer bedrohlichen Situation durch Konzernkrise, drohender Ausgliederung des Stahlbereichs, Lohn- und Sozialabbau gingen 5.241 (39,5 Prozent) von 13.295 KollegInnen nicht zur Wahl.

Die offizielle Liste der IG Metall bekam 5.049 Stimmen. Damit vertritt die IG Metall nur noch eine Minderheit von 37,9 Prozent der Belegschaft. Für eine Hochburg der IGM mit 92 % Organisationsgrad heißt das: viele KollegInnen haben die Wahl der IG Metall boykottiert. Dafür gibt es Gründe. So sind wahrscheinlich 90 Prozent der KollegInnen gegen Lohnabbau.

Die Betriebsratsmehrheit um Günter Back (CDA) hatte jedoch mit dem Segen der IG Metall einer Lohnsenkung von 10 Prozent zugestimmt. Wer braucht schon einen Betriebsrat und eine Gewerkschaft, die die Errungenschaften der ArbeiterInnen und Angestellten nicht verteidigen, sondern den Aktionären und dem Management abbauen helfen?

IGM: Kugelschreiber statt Argumente
Für die IG Metall ist Co-Management angesagt. 13 Mio. Euro (Fehl-)Investitionen in Amerika wurden im paritätisch besetzten Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp mitbestimmt, Zustimmung zu Lohnabbau, und Zustimmung bei den enormen Anhebungen der Vergütungen des TK-Vorstandes.

Abgesegnet ist dieser Kurs des Betriebsrats und der „Arbeitnehmer“-Vertreter im Aufsichtsrat von der IGM-Bürokratie: Detlef Wetzel ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der TK Steel. Der TK-Arbeitsdirektor Oliver Burkhard (früherer IGM-Bezirksleiter NRW) begründete in einem Brief an die Pensionäre die Verweigerung der Erhöhung der Betriebsrenten damit: „Wir gehen davon aus, dass unsere Entscheidungen, nicht anzupassen, rechtens sind“ und verwies auf die Lohnkürzungen der Belegschaft. Dagegen stieg Herrn Burkhards Vergütung von einem zum anderen Geschäftsjahr um 67,5 Prozent auf 2.292.000 Mio. Euro. Der frühere Hauptkassierer der IGM, Bertin Eichler bekam sein CO-Managment mit Luxusflügen belohnt. Das ist die paritätische Mitbestimmung live, die von vielen Linken landauf, landab als große Errungenschaft betrachtet wird. Die Zustimmung der IG Metall zur Lohnsenkung stößt bei der großen Mehrheit der TKS-Beschäftigten auf Ablehnung bis Wut. Andere werden in die Gleichgültigkeit getrieben. So sieht Wetzels Gewerkschaftspolitik aus, wenn man sie im Betrieb erlebt.

Der Wahlkampf der IG Metall lief wie bei einer Landtagswahl. Infostände vor den Kauen, Plakate und Flyer in Hochglanz, Kugelschreiber statt Argumente. Alle heißen Themen wie Lohnabbau, Fehlinvestitionen und Rentenklau blieben so gut wie ausgeklammert. Zum Wahlkampfschlager der IGM sollte eine gute Aktion für die Übernahme von 300 Auszubildenden werden, die der Betriebsrat mit Überstundenverweigerung durchsetzte. Ein Indiz für die Entpolitisierung der IG Metall fand sich im verteilten Werbematerial. Dort wurde Otto von Bismarck in einem Artikel gegen die Belegschaftsliste „unser erster Reichskanzler“ genannt und zustimmend zitiert (IGM-Zentralticker Nr. 32, Mai 2015). Hallo? Für uns ist und bleibt Bismarck der Vertreter der ostelbischen Junker, der die Sozialisten und linken Gewerkschafter von 1878 bis 1890 für illegal erklärte und verfolgen ließ. Die Berufung auf Bismarck ist reine CDA-Politik.

Die Rolle der CDA
Betriebliche Speerspitze der Verzichtspolitik bei TKS in Hamborn-Beeckerwerth ist die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA). Der Betriebsratsvorsitzende heißt Günter Back (CDA), gleichzeitig Beisitzer im Landesvorstand NRW der CDA. Der CDA soll Wilfried Müller nahe stehen, Leiter des Vertrauensleutekörpers TKS. In der Bereichsleitung der Vertrauensleute ist die CDA z.B. mit Günter Reidick vertreten. Der ist Beisitzer der Bundes-AG Betriebsarbeit der CDA, deren Vorsitzender Bernd Kruse heißt, der auch aus dem Werk Hamborn-Beeckerwerth kommt.

Lohnabbau und Rentenklau ist CDU-Politik. Die CDA setzt Merkels Linie im Betrieb um. Das ist vielen KollegInnen bei ThyssenKrupp weder bekannt noch bewusst. Wahrscheinlich würde eine Mehrheit der TKS-KollegInnen nie bei einer Bundestags- oder Landtagswahl die CDU wählen. Und dürften sie entscheiden, ob der BR-Vorsitzende und der VK-Leiter ein CDA-Mann bzw. -Sympathisant sein soll, wäre die große Mehrheit dagegen. Der Einfluss der CDA bei TKS erinnert an Zustände in Großbetrieben des Ruhrgebiets Mitte der 1960 Jahre. Dieser Einfluss muss gebrochen werden!

Warum überhaupt Neuwahl?
Die Wiederholung der Betriebsratswahl 2014 war nötig geworden, weil die damalige Liste 5 behindert worden war. Ein Kandidat der Liste hatte privat auf Facebook krass rassistisch gepostet, was vom Sprecher der sozialpartnerschaftlichen Konkurrenzliste „Alternative“ bei der Personalabteilung angezeigt wurde. Diese informierte einen Teamkoordinatoren, der wiederum seine Teamleiter instruierte. Sie ließen Kandidaten der Liste 5 antreten. In einem Fall wurde ein Kandidat mit Nachteilen bedroht. Daraufhin trat fast die Hälfte der Kandidaten der Liste zurück. Die übrigen Listenvertreter, über 40 % von ihnen mit Migrationshintergrund, distanzierten sich von den rassistischen Äußerungen eines Einzelnen, der ebenfalls von der Liste zurücktrat, und klagten wegen Wahlbehinderung – erfolgreich. Einige Kandidaten der sozialpartnerschaftlichen IG Metall-Liste versuchten, den rassistischen Vorfall im Wahlkampf auszunutzen. Vor Gericht trat der IGM-Listenvertreter gemeinsam mit der TKS-Personalabteilung gegen die Klage auf. Das Gericht entschied auf Wahlwiederholung.

Klassenkämpferische Politik muss sich gegen jede Wahlmanipulation der Personalabteilung und gegen den Rassismus richten. Rassismus im Betrieb ist erfolgreich nur durch Überzeugungsarbeit und gemeinsame Aktionen der Belegschaft für ihre Klasseninteressen zu bekämpfen. Wer die Personalabteilung braucht, um gegen Rassismus vorzugehen, hat selbst keine Argumente.

Eine vereinte, kämpferische Opposition
Vor einem Jahr hatten zwei oppositionelle Listen getrennt kandidiert und drei bzw. zwei Mandate erreicht. 2015 kandidierten kämpferische KollegInnen der beiden früheren Listen zum ersten Mal gemeinsam. Hinzu kamen Kollegen, die 2014 noch auf der IG Metall-Liste gestanden hatten. 57 KandidatInnen, mehrheitlich mit Migrationshintergrund, traten an. Nur die Belegschaftsliste setzte sich für ein kämpferisches Programm ein z.B. für die Rücknahme des Lohnverlustes der Belegschaft, gegen weitere Kostensenkungsprogramme und gegen Leistungsverdichtung, für die Aufstockung des Personals und für die Rücknahme der Gehalts- und Rentenerhöhung der Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte. Die Belegschaftsliste bekam 1.824 Stimmen und 9 Mandate.

Das war ein Erfolg, aber kein Durchbruch. Realistisch betrachtet stimmten für die oppositionelle Liste 13,7 Prozent der Gesamt-Belegschaft. Die gemeinsame Liste gewann im Vergleich zu den zwei Vorläufern ca. 700 Stimmen hinzu.

Ohne die Belegschaftsliste wäre die Stimmung der Enttäuschung und Gleichgültigkeit bei einem Teil der Belegschaft erheblich drückender. Hier wurde eine klassenkämpferische Alternative geboten. Das ist ein Anfang. Aber die Aufgabe ist riesengroß. Denn es geht zukünftig nicht einfach darum, die Unterstützung der Sozialpartner zu minimieren. Das Hauptproblem wird sein, der Entpolitisierung und der Indifferenz in der Belegschaft entgegenzuwirken. Dies geht nur durch Aktionen für die Klasseninteressen. Ob die Opposition die initiieren kann, ist ungewiss. Aber ein Versuch ist es wert.

Linke Einflüsse
Einige Kandidaten der Belegschaftsliste gehören der Linkspartei an. Ohne ihre Initiative im Betrieb wäre die gemeinsame Kandidatur der kämpferischen Oppositionellen nicht zustande gekommen. Die Politik dieser Genossen ist ganz anders als die der Sympathisanten der Linkspartei bei Opel in Bochum, zu denen ja auch die Betriebsratsspitze gehörte, die damals kampflos die Stilllegung hinnahm.

Der Vorschlag zu einer gemeinsamen Kandidatur war in einem „Offenen Brief“ von dem Betriebsflyer was tun im letzten Dezember gekommen und seitdem wiederholt worden. Er traf auf eine Stimmung in der Belegschaft. Viele KollegInnen hatten 2014 nicht verstanden, weshalb zwei oppositionelle Listen getrennt kandidierten. Was tun, die an erster Stelle die Machenschaften der Aktionäre und des Managements bloßstellt und z.B. deren Verantwortung für die Wahlmanipulation aufzeigte, nimmt auch gegenüber den Sozialpartnern im Betriebsrat, den Co-Managern der IG Metall und der CDA kein Blatt vor den Mund.

Die Marxisten-Leninisten bei TKS
Der schon lange bei TKS erscheinende Stahlkocher der MLPD hat eine deutlich andere Position. Natürlich argumentiert die MLPD immer kämpferisch, wenn es gegen das Kapital, gegen Lohnabbau, für die unmittelbaren Interessen der Lohnabhängigen, gegen Rassismus oder für Rojava geht. Das war ihr großes Verdienst bei Opel Bochum. Das ist auch bei TKS so. Doch nach Argumenten gegen die Wahlmanipulation, die Rolle der CDA oder die Machenschaften der IG Metall-Sozialpartner sucht man im Stahlkocher vergeblich. Dort wurde schon vor einem Jahr die Wahl der IGM-Liste empfohlen.

Der Vorschlag, gemeinsam auf der kämpferischen Liste der Opposition zu kandidieren, hatte sich auch an einen marxistisch-leninistischen Betriebsratskollegen gerichtet. Der Kollege lehnte ab, um weiterhin auf der IG Metall-Liste zu stehen. Was soll daran besser sein, gemeinsam mit CDA-Funktionären zu kandidieren, statt mit der kämpferischen Opposition? Das Zusammengehen mit CDA-Vertretern auf der IGM-Liste ist völlig konträr zu der kämpferischen Politik, die die MLPD und die ihr nahestehenden KollegInnen der Liste Offensiv bei Opel Bochum vertreten haben. Wie das zusammenpasst, verstehe, wer will.

Mobilisieren gegen Lohnabbau!
Eine Parole, die die Belegschaftsliste im Wahlkampf herausstellte, hieß: „Lohnabbau kippen! Lohnsenkung rückgängig machen!“. Angesichts steigender Gewinne des Konzerns muss das der nächste Schritt sein. Dieses Ziel erreicht jedoch nicht ein besseres Verhandlungsgeschick, sondern allein die gemeinsame Aktion der ArbeiterInnen und Angestellten bei TKS.


RiR



- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -




Nachlese Betriebsratswahlen 
ThyssenKrupp Steel/Duisburg und Opel/Bochum

Kein Durchbruch für klassenkämpferische, oppositionelle Listen Betriebsratswahlen, ursprünglich einmal jährlich, finden nur noch alle vier Jahre statt. Die Parlamentarisierung der Interessenvertretungen ist von Regierung, Kapital und Gewerkschaften gewollt und fester Bestandteil des gemeinsamen „Erfolgsmodells“ der Klassenzusammenarbeit. Trotzdem bleiben Betriebsratswahlen mehr als andere Wahlen ein Barometer für die Stimmungen und das Bewusstsein der ArbeiterInnenklasse, können doch die Lohnabhängigen ihre VertreterInnen direkt im Betrieb wählen. Im Ruhrgebiet geben die Ergebnisse der Wahlen zum Betriebsrat (BR) bei ThyssenKrupp Steel (TKS) in Duisburg, mit 12.000 KollegInnen größter Industriebetrieb im Revier, und bei Opel Bochum, hier durften noch 3.800 KollegInnen wählen, einen kleinen Einblick in das „Innenleben“ jener Klasse, von der wir uns die Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung erhoffen. Dabei handelt es sich um zwei Großbetriebe, in denen nicht nur Betriebsrats- und Vertrauensleutestrukturen bestehen – die es in vielen Kleintrieben nicht gibt – sondern wo auch kämpferische, oppositionelle Listen zur Wahl antraten.

Mehrheitlich sozialpartnerschaftlich
Die ArbeiterInnen und Angestellten beider Betriebe sind durch die kapitalistische Überproduktionskrise (Autos, Stahl) schwer getroffen. Opel in Bochum steht vor dem „Aus“; der ThyssenKrupp-Konzern befindet sich in einer Existenzkrise durch 13 Mrd. Euro, die das Management in Amerika fehl investiert hat. Das unterscheidet die Lage von der in vielen anderen Betrieben, die längst wieder von der Erholung der Konjunktur profitieren. Kämpferische Stimmungen hat das nicht sehr begünstigt. Groß angelegte Aktionen der KollegInnen gegen die Bedrohungen blieben aus. Selbst an der BR-Wahl beteiligten sich bei TKS in Duisburg nur ca. zwei Drittel, bei Opel in Bochum ca. drei Viertel der KollegInnen. Letzteres hält die Betriebsratsspitze von Opel Bochum für „eine sehr hohe Wahlbeteiligung“. In beiden Fällen lag sie aber unterhalb des gewerkschaftlichen Organisationsgrades. Wenn angesichts von Schließung und Existenzkrise ein Drittel bzw. ein Viertel der KollegInnen nicht einmal an der Wahl ihrer Interessenvertretung teilnimmt, dann geht die sozialpartnerschaftliche Desorientierung bereits in die Desorganisation über, weil viele nicht (mehr) auf kollektive Lösungen hoffen. Die große Mehrheit der ArbeiterInnen und Angestellten stimmte bei Opel Bochum und TKS Hamborn-Beekerwerth für sozialpartnerschaftliche Betriebsräte. Bei TKS erlangte die offizielle IG Metall-Liste, bei der der Einfluss der IGM-Vorstandspolitik und von CDA/CDU unübersehbar war, 30 von 39 Mandaten. Die IGM-Liste vermied es, die dramatische Lage des Konzerns zum Politikum zu machen. Mittlerweile konnte der Konzernvorstand bei den Global Shared Services die tarifliche Arbeitszeit erheblich verlängern: „Für bestehende Beschäftigungsverhältnisse … (wird) die Arbeitszeit zukünftig auf 37,5 Stunden erhöht“. Und: „Für Neueinstellungen an einem neuen Standort im Ruhrgebiet würde(n) … die 39-Stundenwoche gelten“. Das ist ein deutliches Signal zum Ausstieg aus der 35-Stunden-Woche mit dem Segen der IG Metall. Dagegen muss die TKS-Belegschaft starke Lohneinbußen durch die Verkürzung auf die 31-h-Stundenwoche hinnehmen, während vor einem halben Jahr das Einkommen des Konzernvorstands um 27 Prozent stieg. Bei Opel Bochum bekam die Liste um den alten und neuen BR-Vorsitzenden Rainer Einenkel mit 18 von 25 Sitzen eine satte Mehrheit. Noch Anfang 2013 hatte Einenkel auf einer Podiumsdiskussion der Partei Die Linke verkündet: „Die Bochumer Beschäftigten verfolgten eine Doppelstrategie: Verhandeln plus permanenter Widerstand im Betrieb, darunter mehrstündige Arbeitsniederlegungen. Dabei müsse man aber sensibel vorgehen, weil das GM-Management hier nur auf Fehler der Belegschaft warte, um Kapazitäten in andere Werke verlagern zu können“. Eineinhalb Jahre lang war, dank der „Sensibilität“ gegenüber dem Management, von Widerstand so gut wie nichts zu sehen. Die BR-Spitze um Einenkel orientierte frühzeitig auf einen Sozialplan. Mittlerweile ist ein Sozialtarifvertrag abgeschlossen worden, der u.a. die Abfindungen regelt. Dafür brauchte niemand einen kämpferischen Betriebsrat zu wählen.

Kämpferische Minderheiten
Seit den Betriebsratswahlen 1972 trat bei Opel Bochum die klassenkämpferische GOG an. Die linkeTradition setzte die Liste Offensiv fort. Aktuell erreichte sie nur drei von 25 Mandaten (2010: ein Mandat). Ein wirklicher Erfolg war der Zugewinn nicht, denn von einem Durchbruch „im kämpferischsten Betrieb der Welt“, so der Versprecher eines Kollegen, ist die Liste Offensiv selbst unter günstigen Umständen weit entfernt. Bei ThyssenKrupp Steel in Duisburg tritt seit 2002 die oppositionelle Belegschaftsliste zur Betriebsratswahl an. Auch sie gewann nur drei von 39 Mandaten. Außerdem zogen ein paar konsequente Kollegen über die offizielle IG Metall-Liste in den Betriebsrat ein. Sowohl Offensiv als auch die Belegschaftsliste stehen für Gegenwehr. Von den inhaltlichen Positionen waren allein sie wählbar. Aber nur eine kleine Minderheit der KollegInnen stimmte ihnen zu, obwohl die Kampfbereitschaft der KollegInnen bei TKS und Opel phasenweise erheblich weiter ging, als sich im Wahlergebnis der oppositionellen Listen ausdrückte. Warum haben sie nicht mehr erreicht?

Von der Kritik zur Aktionseinheit?
Bei Opel in Bochum war und ist scharfe Kritik an der Betriebsratsspitze um deren Vorsitzenden Einenkel angebracht. Seine Haltung ist die der „Opposition“ – gegen die Geschäftsführung, gegen die Spitze des Gesamtbetriebsrates und gegen den IG Metall-Vorstand. Die Unfähigkeit, von der „Opposition“ zur „Aktion“ gegen die Werksschließung überzugehen, charakterisiert sie als „links“-sozialpartnerschaftlich. Im Werk sorgten Einenkel und seine MitstreiterInnen dafür, dass massive Protestaktionen der Belegschaft gegen die Werksschließung unterblieben, die mehr waren als schwache Streikversuche, verlängerte Betriebsversammlungen, ein Solidaritätsfest mit Ansprachen bürgerlicher PolitikerInnen oder ein „Dampf ablassen“ vor der BR-Wahl. Schwerlich ist den Unterstützern von Einenkels Position vorzuwerfen, dass sie den Klassenkampf „verraten“, denn sie haben gar nicht den Anspruch, ihn zu führen. Aber sollte es nicht kämpferischen oder gar revolutionären Aktivisten in zugespitzten Situationen gelingen, ihre gemäßigteren ArbeitskollegInnen mit Vorschlägen für die nächsten gemeinsamen Schritte so zu überzeugen, dass selbst sozialpartnerschaftliche Betriebsräte gezwungen sind, in Aktion zu treten? Das war 2002 bei Babcock in Oberhausen sogar von außen möglich: Den Vorschlag des langjährigen Betriebsflugblattes was tun, konzernweit zur Landesregierung nach Düsseldorf zu mobilisieren – Kapitaleignerin war die WestLB – musste der extrem sozialpartnerschaftliche Babcock-Betriebsrat durch den Druck der Belegschaft aufgreifen. 5.000 KollegInnen nahmen an der Demonstration teil. Manche Angestellte demonstrierten zum ersten Mal in ihrem Leben.

Die Liste Offensiv bei Opel
Die Einzigen, die konsequent im Opel-Werk für eine kämpferische Gegenwehr eintraten, waren die KollegInnen und GenossInnen der Liste Offensiv. Doch schafften sie es nicht, durch Aktionsvorschläge die Unterstützung für Einenkels Politik in der Belegschaft aufzubrechen. Im Gegenteil: Einenkels Gruppe gelang es sogar, Listen, die 2010 noch getrennt kandidiert hatten, zu sich herüber zu ziehen. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass die Kritik von Offensiv über das Ziel hinaus schoss. Wie konnte ihre Listenführerin gegen den BR-Vorsitzenden Einenkel eine Klage vor dem Landesarbeitsgericht Hamm führen, damit dieser ein „Eckpunktepapier“ veröffentlicht bzw. darin Einsicht gewährt? Seit wann rufen RevolutionärInnen die bürgerliche Klassenjustiz als Schiedsrichterin an, um Meinungsverschiedenheiten im Betriebsrat über dessen Informationspolitik zu entscheiden? Die Klage war ein gefundenes Fressen für die „linken“ Sozialpartner, um Stimmung gegen Offensiv zu machen.

Die Belegschaftsliste bei TKS
Die einzige kämpferische Liste, die bei ThyssenKrupp Steel in Duisburg zur Betriebsratswahl antrat, war die Belegschaftsliste. Es sind nicht so sehr die verschriftlichten Positionen, worin die Liste ihre Opposition gegen die Sozialpartnerschaft äußert. Vor allem auf Belegschaftsversammlungen prangern ihre Sprecher die Politik des TKS-Vorstandes an. Es gelang jedoch der Belegschaftsliste bisher nicht, den Beifall vieler KollegInnen zu ihrer Stärkung zu nutzen, geschweige denn, eigenständig Kampfmaßnahmen loszutreten.

Linke Einflüsse und Widersprüche
Weder Offensiv bei Opel noch die Belegschaftsliste bei TKS sind Listen einer linken Partei. Linke Einflüsse sind jedoch in beiden Betrieben vorhanden: 2011 und 2013 war Rainer Einenkel auf Podiumsdiskussionen des Kreisverbandes Bochum der Partei Die Linke ein gern gesehener Gastredner zur Lage bei Opel. Auch rief Einenkel mit anderen Gewerkschaftern vor Bundestagswahlen öffentlich zur Wahl der Linkspartei auf. Vielleicht genügte das der Bochumer Linkspartei, um die „linken“ Sozialpartner an der Spitze des Opel Betriebsrates nicht durch Kritik zu verprellen? Im Unterschied zum radikaleren Bochumer Kreisverband gilt die Duisburger Stadtratsfraktion der Linkspartei als sehr gemäßigt. Um so mehr überrascht, dass zu ihr ein Sprecher der kämpferischen Belegschaftsliste von TKS gehört. Die MLPD, die konsequenter als jede andere linke Organisation auf Betriebsarbeit aufbaut, ist auch bei Opel und TKS aktiv. Zu Recht hat aus ihren Kreisen die Liste Offensiv Unterstützung erfahren. Um so erstaunlicher ist, dass die „Redaktion TKSE 3 Duisburg“ im Stahlkocher bei ThyssenKrupp nicht zu Wahl der oppositionellen Belegschaftsliste aufrief, sondern zur Wahl der offiziellen, tief sozialpartnerschaftlichen IG Metall-Liste. Was soll daran besser sein, gemeinsam mit CDA/CDU- Mitgliedern, SPD-Sozialpartnern und treuen Nibelungen des IGM-Vorstands zu kandidieren als mit linken, kämpferischen GewerkschafterInnen?

„Deutsche“ und migrantische KandidatInnen
Auf den Listen der Sozialpartner bei Opel und TKS haben eine ganze Reihe MigrantInnen kandidiert. Unter MigrantInnen finden sich jedoch auch relativ viele KollegInnen, die klassenkämpferisch sind und ein linkes, politisches Klassenbewusstsein haben. Nicht von ungefähr gehören der oppositionellen Belegschaftsliste bei TKS mehrheitlich KandidatInnen mit Migrationshintergrund an. Anders Offensiv bei Opel Bochum: Dem Augenschein nach schaffte es die Liste nicht, unter fast zwei Dutzend KandidatInnen auch nur einen einzigen migrantischen Arbeiter aufzustellen. Hier spiegelt sich wider, was für die sozialistische Bewegung in der BRD insgesamt gilt: Während es der reformistischen Partei Die Linke durchaus gelungen ist, „deutsche“ und migrantische GenossInnen gemeinsam zu organisieren, ist die revolutionäre Linke nach wie vor in „deutsche“ und „türkische“ und „kurdische“ Organisationen getrennt. Eine Spaltung, die es dringend zu überwinden gilt! Pitt, Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet, 


RiR  8.7.2014



- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -




5.000 KollegInnen protestieren vor ThyssenKrupp-Zentrale in Essen

Die Kundgebung am 25. Februar richtete sich gegen Lohnsenkung, Billigtarife, Outsourcing, Arbeitsplatzvernichtung und Jobverlagerung. Bundesweit hatte die IG Metall in den TK-Dienstleistungsbetrieben mobilisiert. Von der Konzentration von Dienstleistungen in einer Gesellschaft Global Shared Services wären in der Hauptverwaltung KollegInnen u.a. aus dem Rechnungs-, Personalwesen, Buchhaltung und IT betroffen. Von 6.400 entsprechenden Arbeitsplätzen im TK-Konzern weltweit liegen 3.000 in der BRD, von denen 1.500 vernichtet werden sollen. Besonders erbost es die IG Metall, dass Tarifverträge unterlaufen werden sollen. So sind für KollegInnen, die Arbeitsplätze im Raum Berlin angeboten bekommen, Tarifverträge aus dem KFZ-Handwerk in Ostdeutschland im Gespräch. Bei einem jährlichen Durchschnittsgehalt von z.B. 71.000 Euro in einer Service-Gesellschaft in Essen ist da für die IG Metall „die rote Linie überschritten“. Die IGM hatte die Verhandlungen abgebrochen.

Die Mobilisierung aus den Dienstleistungsunternehmen war gut. Von der IG Metall wird sie jedoch nur genutzt, um auf „bessere“ Verhandlungen zu orientieren. Leider arbeiteten die KollegInnen aus der Fertigung bei TK Widia – direkt gegenüber der Hauptverwaltung – weiter … Von den Interessenvertretungen aus den TK-Unternehmen in Polen, dorthin sollen viele Arbeitsplätze verlagert werden, sprach keiner auf der Kundgebung. Zwar wurde das TK-Management von den RednerInnen immer mal wieder angeprangert, aber eine grundlegende Kritik konnte von Betriebsratsspitzen und IG Metall nicht erwartet werden, hatten sie doch die Geschäftspolitik mit all ihren katastrophalen Auswirkungen in den letzten zehn Jahren mitgetragen.


RiKorrespondent




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