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Spanien: Wer ist Podemos?
4. Oktober 2015, 16 Uhr
In der Fabrik K 14,
Lothringer Str. 64
46045 Oberhausen

Veranstaltungen

Die Ukraine-Krise und die nationalistische Sackgasse
Dienstag, den 10.06.2014, 19.00 Uhr
DGB-Haus Duisburg, Franz-Wieber-Saal
Stapeltor 17-19, Duisburg 47051
Veranstaltung der GEW Fachgruppe Hochschule und Forschung

Brennpunkt Nah-Ost: Zwischen Friedensprozess und Rojava-Revolution
Reisebericht von Dr. Nikolaus Brauns, Historiker und Journalist
Freitag, den 14. Februar 2014, 19 h
im Linken Zentrum, Elsässer Str. 19, 46045 Oberhausen
Es laden ein:
Gesprächskreis Werner Wachner, Kurdischer Verein Rojava, DIE LINKE KV Oberhausen


- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -



Rede beim Kurdischen Frauenforum
Freiheit für Grup Yorum!   
Grup Yorum wurde 1985 in Istanbul gegründet. Ihr erstes Konzert soll nur eine Minute gedauert haben. Als die Sängerin auf Kurdisch sang, wurde die Musikgruppe auf der Bühne verhaftet und kam ins Gefängnis. Grup Yorum und ihre Mitglieder haben bisher über 400 Strafverfahren bekommen. Für die Erdogan-Regierung sind es keine Musiker, sondern Terroristen. Grup Yorum veranstaltete früher jedes Jahr in Istanbul ein „Volkskonzert“. Der Eintritt war frei. 2014 kamen 1 Millionen Besucherinnen und Besucher zum Konzert.
In der Türkei verbot die Erdogan-Regierung nach dem Putschversuch 2016 alle Konzerte von Grup Yorum. Andauernd wurden ihr Kulturzentrum in Istanbul, wo die Musikgruppe probt, durchsucht. Die Bandmitglieder wurden festgenommen. Bei einer Festnahme wurde der Geigerin der Arm gebrochen. Der Sängerin wurde das Trommelfell zerschlagen.
In Europa ist Grup Yorum schon öfters aufgetreten. Ihre Konzerte waren immer ausgebucht. Am 14. November 2015 wollte die Musikgruppe in der Arena Oberhausen ein Konzert gegen Rassismus geben. Kurz vorher verbot die Bundesregierung 11 Musikerinnen und Musikern von Grup Yorum die Einreise. Sie standen auf der Schengenliste und unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
Am 16. Mai 2019 traten in der Türkei Musikerinnen von Grup Yorum, die im Gefängnis saßen, in den Hungerstreik. Sie protestierten gegen ihre Haft und das Konzertverbot. Helin Bölek und Ibrahim Gökçek wollten bis zu ihrem Tode fasten.
Am 3. April 2020 starb Helin Bölek am 288. Tag des Hungerstreiks. Nach 322 Tagen beendete Ibrahim Gökçek seinen Hungerstreik. Er starb zwei Tage später am 7. Mai. Bei der Beerdigung ging die Polizei mit Gewalt vor.
Wir werden Helin Bölek und Ibrahim Gökçek und ihre Musik immer in unseren Herzen behalten.
Wir fordern die Freilassung der 5 verhafteten Musiker von Grup Yorum.
Wir fordern von der türkischen Regierung die Erlaubnis für Grup Yorum, öffentliche Konzerte geben zu dürfen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, alle Konzerte von Grup Yorum in Deutschland zu erlauben und ihre Musikerinnen und Musiker einreisen zu lassen.

Leyla, Duisburg 03.06.2020

- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -



US-Wahl
Eine Stimme wird laut
Rund um die Uhr quälten uns die Medien mit neuen Nachrichten über die Wahlen in den USA. Trump oder Biden?

Ginge es nach Wahlkampfspenden, hieße der Gewinner Trump statt Biden: Trump nahm 343 Mio. Dollar ein, Biden 279 Millionen Dollar. Beide Kandidaten sind Vertreter des Kapitals, verfolgen nur in Teilbereichen unterschiedliche Interessen. Viele African Americans halten weder Trump noch Biden für wählbar.

Undemokratisches Wahlsystem
Würde das US-Wahlsystem in Russland gelten, würden uns die bürgerlichen Medien und PolitikerInnen beweisen, wie undemokratisch das Land unter Putin ist. 2016 gewann Hillary Clinton 65,8 Millionen Stimmen gegenüber Donald Trump, der nur 62,9 Millionen Stimmen bekam. Die Demokratin hatte rund 3 Millionen Stimmen mehr. Sie verlor jedoch die Wahl mit 227 Wahlleuten gegenüber Trump, der von 304 Wahlleuten gewählt wurde.
Selbst nach bürgerlich-demokratischem Maßstab kann man die USA höchstens eine ´Demokratie` der Milliardäre nennen. Doch richtet sich das Trommelfeuer hiesiger Kritik allein gegen die Person Trumps, nicht gegen das US-Wahlsystem. Hoffen doch Merkel, Maas und Söder, dass die USA mit einem Präsidenten Biden wieder ein verlässlicher Bündnispartner werden. Der US-Imperialismus soll in alter Gewohnheit funktionieren: Während der Präsidentschaft Obamas führten die USA sieben Kriege bzw. Angriffe auf andere Länder.

Börse für Biden
Zum alten Trott will auch die Mehrheit der US-Börsianer zurück. Sie ist für Biden, weil innenpolitische Unruhen und außenpolitische Handelskriege den Geschäften schaden, die besonders in Corona-Zeiten schlechter laufen. Bei den Corona-Hilfen fürs Kapital über insgesamt 2,7 Billionen Euro waren sich Demokraten und Republikaner weitgehend einig, ebenso bei der Senkung der Körperschaftssteuer von 35 % auf 21 %. Als Trump 2020 für das Militär 775 Milliarden US-Dollar ausgeben wollte, schlugen die Demokraten 50 Milliarden Dollar mehr vor. Nun will Biden die politische Spaltung überwinden, die bitter verfeindeten Lager versöhnen und ein „Präsident aller Amerikaner“ werden.

Rasanter Aufbruch
Der Blick vieler KommentatorInnen auf die USA blendet eine wichtige Entwicklung völlig aus:
den Aufbruch des Sozialismus. Die Democratic Socialists (of America) https://www.dsausa.org/ wuchsen von 6.000 Mitgliedern 1982 auf 42.000 Mitglieder im Juni 2018 und 75.000 Mitglieder im Oktober 2020. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist im erdrückenden Zwei-Parteien-System der USA eine linke Stimme hörbar. Die Democratic Socialists mit vielen jungen Gesichtern sind auf dem Weg, zu einer politischen Kraft zu werden.
Die Anti-Globalisierungsbewegung Occupy Wall Street 2011, die Frauenbewegung Me Too 2017 und die antirassistische Bewegung Black Lives Matter haben viele Menschen und besonders Jugendliche politisiert.  Allein Black Lives Matter mobilisierte bisher 26 Millionen Menschen. Eine wachsende Minderheit in diesen Bewegungen sucht nach einer politischen Alternative zu Republikanern und Demokraten. Wenn Trump das Gespenst des Sozialismus heraufbeschwört, so mag das für MarxistInnen vielleicht lächerlich klingen. Doch wittert die herrschende Klasse in den USA die Gefahr, dass die SozialistInnen die sozialen Bewegungen radikalisieren und nach der Corona-Krise den Klassenkampf von unten anheizen könnten.

RIR 08.11.2020



- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -


Trump ist ein Putschist
Der Präsident der USA, der am 6. Januar zum Marsch auf das Capitol aufrief, hat nicht die Gesellschaft, sondern die ArbeiterInnenklasse gespalten.
Wäre in der Türkei Erdogan abgewählt worden, hätte seine AKP-Anhänger mobilisiert und hätten diese das Parlament gestürmt, wäre das von allen bürgerlichen Medien und PolitikerInnen als Putschversuch bezeichnet worden. Doch was ihnen für die Türkei und Russland gilt, gilt nicht für die USA.
Trump ist ein Putschist. Seine Anhänger sind Putschisten. Die republikanische Partei ist eine Putschpartei. Kein Politiker von CDU, CSU, SPD und FDP wagt das auszusprechen. Das imperialistische Deutschland bleibt der beste Freund der imperialistischen USA.

Wahlbetrug?
Trump bekam gut 74 Mio. Stimmen, Biden 81 Mio. Stimmen. 2016 erhielt Trump knapp 63 Mio. Stimmen, Clinton knapp 66 Mio. Stimmen. Biden brauchte sieben Millionen Stimmen mehr als Trump, um das Wahlleutesystem zu überwinden, an dem Clinton mit einem Plus von drei Millionen Stimmen gescheitert war. Und dieses Land mit dem undemokratischen Wahlverfahren präsentieren uns PolitikerInnen von CDU bis FDP und die bürgerliche Medien als „älteste Demokratie der Welt“.

Ein Kapitalist an der Regierung
Trump ist Milliardär. Er soll 2-3 Mrd. $ Vermögen und eine Mrd. $ Schulden haben. Er herrscht in seinem Wirtschaftsimperium uneingeschränkt, entscheidet letztendlich alles allein, heuert und feuert. In seinem Unternehmen ist er der Boss, der Diktator. Auch in jedem anderen internationalen Konzern herrscht das Direktionsrecht. Der Präsident der USA ist nicht durchgeknallt oder verrückt. Er hat als Präsident die US-Regierung nur so geführt wie als Kapitalist sein Trump-Imperium. Das wurde von der herrschenden Klasse widerspruchslos hingenommen.
Trump zahlte in zehn von fünfzehn Jahren keine Einkommensteuern. Er weigerte sich, seine Vermögensverhältnisse offenzulegen. Wer weiß, was in seiner Amtszeit an Korruption, Bestechung, Vorteilsnahme und Begünstigung geschehen ist? Nach seiner Abwahl muss Trump intensive Nachforschungen befürchten. Die will er um jeden Preis verhindern. Feige schickte er seine Anhänger vors Capitol, um das Wahlergebnis auf eigene Faust zu revidieren. Das kam selbst bei den Kapitalisten nicht gut an. Als Erster forderte der Verband der National Association of Manufacturers ein Amtsenthebungsverfahren.

Erfolgreicher Spalter
Trump hat nicht die USA gespalten, denn die kapitalistische Gesellschaft ist in Reiche und Arme, Herrscher und Beherrschte, Kapitalisten und Lohnabhängige gespalten. Trumps größter Erfolg war nicht die Spaltung der Gesellschaft, sondern die der ArbeiterInnenklasse. Seine rassistische Hetze gegen flüchtende Latinos, chinesische Konkurrenten und kriminelle Afro-Americans ist bei vielen weißen ArbeiterInnen gut angekommen. Sie leugnen die Corona-Pandemie, die menschengemachte Klimakatastrophe und die rassistische Unterdrückung. Hinter einer allgemeinen staatlichen Krankenversicherung sehen sie das Gespenst des Sozialismus. Sie flüchten in Nationalismus und in die Sackgasse des Protektionismus. Sie übernahmen das Programm der Finanzkapitalisten, die kurzfristige Profite machen wollen und langfristige Investitionen in die Zukunft ablehnen. Hinzu kommen Faschisten, christliche Fundamentalisten und Impfgegner. Überraschend unterstützen auch weiße Frauen den offenen Chauvinisten Trump. Kein Wunder, dass sich hierzulande viele Anhänger der AfD in Trumps Bewegung wiedererkennen.
Waren in den USA weiße ArbeiterInnen lange privilegiert, schreckt sie heute der soziale Abstieg. Ihre Gegner sehen sie nicht im Kapital, den Milliardären und Konzernzentralen, sondern in der Latina oder African-American, die neben ihnen arbeiten. Sie suchten den starken Mann und fanden ihn im Milliardär, der ihnen neue, alte Privilegien verschaffen soll. Trump ist ihr Idol. Für ihn stürmten sie das Capitol. Wären es nicht Weiße, sondern Afro-Americans gewesen, dann hätten die Trump-Anhänger unter den Polizisten keine Barrieren geöffnet, sondern sofort geschossen.

Black and white, unite and fight
Das Geschwätz eines Joe Biden, der seine Unterstützer mit den Anhängern Trumps versöhnen will, ist genauso wenig wert, wie der Glaube der PolitikerInnen von CDU, CSU, SPD und FDP an die Selbstheilungskräfte der US-Milliardärs-Demokratie.
Nur der Klassenkampf kann auf lange Sicht die ArbeiterInnenklasse der USA wieder vereinigen. Dazu können die Democratic Socialists of America, die von 75.000 Mitglieder im Oktober auf 86.000 Mitglieder im Dezember 2020 angewachsen sind, einen wichtigen Beitrag leisten.
Trumps Abwahl und Sturz ist ein Rückschlag für alle Rechtsradikalen weltweit und für seine AfD-Bewunderer in Deutschland. Ihr Idol hat einen unrühmlichen, feigen Abgang gemacht. Zu befürchten ist allerdings, dass seine militanten Anhänger in den USA nun zum Sturmgewehr greifen, um mit SozialistInnen und den AktivistInnen der Black-Lives-Matter-Bewegung abzurechnen.

RIR, 10.01.2021



- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -


1. Mai in Duisburg
Gegen den Krieg in der Ukraine und gegen Preissteigerungen!
Die 1. Mai-Demonstration des DGB startete diesmal um 11.30 h vor dem Hauptbahnhof zum Forum in die Innenstadt. Ein Bündnis linker Organisationen und Parteien nutzte die Gelegenheit, um vorher vor dem Bahnhof eine eigene Kundgebung zu organisieren.
Zuerst sprach ein Vertreter des ZK der MLPD, der den Angriff der russischen Imperialisten auf die Ukraine und die Beteiligung der westlichen Großmächte verurteilte. In weiteren Reden aus dem ML-Spektrum kritisierte der Sprecher einer Arbeiterplattform die Preissteigerungen, wurde u.a. auf eine internationale Frauen- und eine internationale Bergarbeiterkonferenz hingewiesen. Ein Genosse von ATIK ging auf die Unterdrückung der linken Bewegung in der Türkei ein, kritisierte in bewegenden Worten die schlechte soziale Lage der Lohnabhängigen hier wie dort und die Politik der russischen und westlichen Imperialisten in der Ukraine. In einer Rede, die den meisten Beifall bekam, verurteilte ein Genosse der RIR den Angriff Russlands auf die Ukraine, wies die Doppelmoral der Kriegsparteien SPD,  Grüne, FDP und CDU gegenüber den Menschen in Afghanistan, Kurdistan und Jemen nach und forderte den Stopp aller Waffenlieferungen von und über Deutschland (Text der Rede hier).
Vor dem Bahnhof war vom DGB nichts zu hören. Seine RednerInnen konnten später von der Tribüne beim Forum sprechen. Unterwegs musste sich die SPD mehrmals unsere lauten Rufe „SPD, Kriegspartei!“ gefallen lassen.
Struktureller Rassismus
Wir kritisierten schon mehrmals an der 1. Mai-Kundgebung und dem anschließenden Fest in Duisburg den strukturellen Rassismus des DGB: Linke mit türkischem und kurdischem Migrationshintergrund stellen die deutliche Mehrheit der TeilnehmerInnen, dürfen aber nicht von der Tribüne aus reden. Außerdem mussten die Stände der Parteien Die Linke und DKP mit Abstand zum DGB-Fest aufgebaut werden, während der Infostand der Kriegspartei Die Grünen direkt neben der Bühne Platz fand. Warum beim 1. Mai 2023 keine eigene linke Demo machen?

RIR, Duisburg 6. Mai 2022

Zum Weiterlesen: Rede der RIR auf der revolutionären 1. Mai-Kundgebung 2022 vor dem Hauptbahnhof Duisburg.


- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -



BILD nennt die Kapitalisten in Russland deshalb „Oligarchen“ und nicht Kapitalisten, damit BILD-Besitzerin Frau Springer morgens beruhigt in den Spiegel schauen kann.
Was tun bei Thyssenkrupp Steel
Oligarchen oder Kapitalisten?
Jeden Tag schreiben die bürgerlichen Medien von den Oligarchen, die Russland beherrschen. Schlimm genug, dass Linke den Begriff kritiklos übernehmen.
Im achten Buch seiner Politeia (Der Staat) lässt der griechische Philosoph Platon den Philosophen Sokrates auf die Frage antworten: „Welche Staatsordnung, fragte er, verstehst du denn unter dem Namen Oligarchie? Ich antwortete: Die auf geschätztem Vermögen gegründete Staatsverfassung, in der nur die Reichen das Ruder führen und den Armen kein Anteil an der Regierung zukommt“.
Obwohl die Zeilen rund 2400 Jahre alt sind, könnte es sich in genialer Voraussicht um eine Kritik des Bundestages und der Regierung SPD-FDP-Grüne handeln. Denn Bezieherinnen von HartzIV oder Verkäuferinnen, Schweißer oder Stahlkocher sind im Bundestag nicht zu finden.
Die bürgerliche Kritik meint nicht einmal mit Platon „die Reichen“, sondern versteht unter ´Oligarchen` die Milliardäre nur in Osteuropa, die „Land oder Besitztümer, die vorher dem Staat gehörten, (…) stehlen (L. Goodrich). Wikipedia definiert als ´Oligarchen` einen „Großunternehmer mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 1 Milliarde US-Dollar, der durch Korruption auch politische Macht über ein Land oder eine Region erlangt hat“. Selbst diese Kritik wird in der herrschenden Medienkampagne gegen den Angriff Russlands auf die Ukraine stark relativiert, da sie aus offensichtlichen Gründen alle ukrainischen ´Oligarchen` ausspart.
Es ist ja nicht nur die Korruption, die einem Trump und einem Berlusconi nachgesagt wird oder in die der Konzern Thyssenkrupp beim Verkauf von U-Booten an Griechenland und Israel verwickelt sein soll. Die Reichtümer des (Früh)kapitalismus beruhten generell auf Raub. Eduardo Galeano zählt in „Die offenen Adern Lateinamerikas“ 185 000 kg Gold und 16 Millionen kg Silber auf, die zwischen 1503 und 1660 von Lateinamerika nach Spanien verfrachtet wurden. Ernest Mandel schreibt in seiner „Marxistischen Wirtschaftstheorie“, dass sich die ursprüngliche Akkumulation des Kaufmanns- und des Handelskapitals „durch Raub und Seeräuberei vollzogen“ hat. Die englischen Piraten, die die spanischen Gold- und Silberflotten angriffen, waren nicht zufällig in der Form von Aktiengesellschaften organisiert.
Unter dem Druck des bürgerlichen Medienrummels benutzen jedoch auch Linke den Begriff ´Oligarchen`. Dabei haben der russische Stahlproduzent Mordaschow, der ukrainische Stahlproduzent Achmetow und der deutsche Stahlproduzent Thyssenkrupp gemeinsam, dass der von ihren Arbeitskräften produzierte Wert nicht gleich den Unterhaltskosten dieser Arbeitskräfte ist. Die Differenz zwischen produziertem Wert und Unterhaltskosten ist der Mehrwert, der in Kapital verwandelt wird. Mordaschow oder Achmetow oder Thyssenkrupp sind stinknormale Kapitalisten. Dass die Bild-Zeitung die tatsächlichen Ausbeutungsverhältnisse verschleiert, ist nicht neu. Wir müssen ihr nicht noch dabei helfen.

RIR, Duisburg, 16.03.2022
________________________________________
[1] Platon, Politeia, 8. Buch, Edition Opera-Platonis, o. Seitenangabe.
[2] Eduardo Galeano, Die offenen Adern Lateinamerikas, Wuppertal 1991, S. 33.
[3] Ernest Mandel, Marxistische Wirtschaftstheorie, Bd. 1, 4. Aufl., Frankfurt/M. 1976, S. 125.

- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -



Deutschland ist Kriegspartei
Mit der Lieferung von 1.000 Panzerfäusten 3 und 500 Raketen Stinger beteiligt sich Deutschland am Krieg Russland - Ukraine. 76 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg werden mit deutschen Waffen und unseren Steuergeldern Menschen in Osteuropa getötet. Von der historischen Verantwortung für 27 Millionen tote RussInnen, UkrainerInnen, JüdInnen u.a. ist keine Rede mehr. SPD, Grüne, FDP, CDU und CSU sind zu Kriegsparteien geworden. Die Waffenlieferungen, von den Hetzern der BILD-Zeitung herbeigeschrieben, werden den Krieg anheizen und auch viele ZivilistInnen, Frauen und Kinder töten.

Frieden jetzt! Sofortiger Rückzug Russlands! Keine Waffen von und über Deutschland!

Flyer zum Download

- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -



Tarifrunden Öffentlicher Dienst, Post und Bahn
Kein Geld für Busfahrer und Erzieherinnen, aber 100 Mrd. Euro für Rüstungskapitalisten?
 
Die Tarifrunden haben begonnen. Verdi fordert für 2,5 Millionen Angestellte und Arbeiterinnen 10,5 Prozent mehr Entgelt, mindestens 500 Euro. Für 160.000 Beschäftigte bei der Post fordert verdi plus 15 Prozent. Die Bahngewerkschaft EVG fordert für 180.000 Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, die sie zu vertreten vorgibt, 12 Prozent mindestens 650 Euro. Die Laufzeit soll nicht länger als 12 Monate sein.
8 % Inflation 2023
Die SPD-Bundesinnenministerin bot den Beschäftigten im Öffentlichen Dienst 5 % mehr über zwei Jahre an. Das lehnte verdi ab. Denn das würde bei einer Inflationsrate von 8 % im Jahr 2023 (so die Berechnung der Deutschen Bank) drastischen Lohnabbau bedeuten. Das wissen auch die Scholz und Habeck. Die Herrschenden wollen die Löhne der Arbeiterklasse senken.
 
Ablehnung wg. Ukraine-Krieg
Für die Deutsche Bahn AG begründete Vorstand Seiler die Ablehnung der Forderungen: Wir haben mitten in Europa einen verheerenden Krieg, wir sind in einer Nach-Corona-Phase, wir haben eine hohe Inflation und auch enorme Energiepreise“.
Bis auf Corona sind das alles Argumente, die sich auf den Ukraine-Krieg und die Politik der Bundesregierung beziehen. Die enormen Energiepreise und in der Folge die hohe Inflation von 7,9 Prozent im letzten Jahr verdanken wir den Sanktionen der Regierung SPD-Grüne-FDP gegen Russland. Die Eskalation des Konfliktes durch Sanktionen und Waffenlieferungen der Bundesregierung muss nun als  Argument für die angeblich fehlende eigene Finanzkraft herhalten.
 
Bald 300 Mrd. Euro?
Kaum Geld für Erzieherinnen und Busfahrer, Postbotinnen und Zugbegleiter, aber ein Geschenk von 100 Mrd. Euro „Sondervermögen“ für die Aufrüstung der Bundeswehr d.h. für Rüstungskapitalisten wie Rheinmetall, Krauss-Maffei  Wegmann und Thyssenkrupp? Schon werden Forderungen in bürgerlichen Parteien und Medien, aus der Bundeswehr und der Rüstungsindustrie nach Aufstockung des Sondervermögens um weitere 200 Mrd. Euro laut.
Geld für Tariferhöhungen ist reichlich da. Es fließt nur auf die falschen Konten.
RIR, Duisburg 07.03.23

- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -


Der Stempel des Krieges
Was den Lohnabhängigen gestern, heute und morgen unter den Nägeln brennt, ist die Preisexplosion. Sie hängt mit dem Wirtschaftskrieg Deutschlands, der EU und USA gegen Russland zusammen, der wiederum mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Der Krieg der Großmächte um den Donbas, das Ruhrgebiet der Ukraine, drückt vielen gesellschaftlichen Konflikten und Diskussionen den Stempel auf. Das zeigen die IG Metall-Tarifrunde und die Auseinandersetzungen in der Partei Die LINKE.
IGM vereinbart Reallohnverlust
Der Tarifabschluss in der Metallindustrie (1500 Euro im Februar 2023, ab 1.06.2023 plus 5,2%; 1500 Euro Anfang 2024, plus 3,3 % ab 1.05.2024, Laufzeit bis 30.09.24) liegt klar unter der jetzigen Inflationsrate von 10 Prozent. Bleibt die Inflation hoch - und die wirtschaftlich-politische Krise kann 2023 und 2024 andauern – dann bedeutet das in den nächsten zwei Jahren Reallohnabbau. Das wollten die Kapitalisten. Das wurde vereinbart.
Die IG Metall-Bürokratie, die am 11. März gemeinsam mit Gesamtmetall zum politischen Ein-Minuten-Streik gegen den Angriff Russlands auf die Ukraine aufgerufen hatte, kapitulierte auf der ganzen Linie vor der Offensive des Kapitals. Für IGM-NRW-Bezirksleiter Knut Giesler ist eine „Kriegsinflation“ nicht mit einer Tarifrunde auszugleichen. Zudem ist die Kriegspartei SPD nach wie vor die Partei, der die IGM-Bürokratie politisch verbunden ist.
Die IGM-Führung tut nichts, was die Regierung Olaf Scholz gefährden könnte. Eine Kritik am Wirtschaftskrieg von SPD-FDP-Grünen und CDU/CSU gibt es nicht. Um die Inflation auszugleichen, hätte schon die Forderung nicht bei 8%, sondern etwa bei 16% liegen müssen. Vor der politischen Forderung nach einem Inflationsausgleich, die allein der Lage der Arbeiterklasse angemessen ist, schreckte die IGM-Bürokratie zurück. Zudem liegen die Gehälter der IGM-Sekretäre im Durchschnitt bei etwa 85.000 Euro und damit weit oberhalb der tariflichen Entgelte der meisten Lohnabhängigen, die sie zu vertreten vorgeben.
Die Krise der Partei Die LINKE
Der Krieg um die Ukraine wirkt sich auch auf die Partei Die LINKE aus. Bislang waren ihre internen Konflikte für Außenstehende nur schwer zu verstehen: Hätte es bereits eine Spaltung gegeben, wären die beiden reformistische Parteien voneinander kaum zu unterscheiden. Die LINKE vertritt nicht nur die Vergesellschaftung der Energiekonzerne oder der Stahlindustrie, sondern beteiligt sich auch an kapitalistischen Landesregierungen und stimmt Sparhaushalten zu. Was die Linkspartei in Präsens und Vergangenheit macht, ist von einer neuen Wagenknecht-Formation in Futur zu erwarten. Wo prinzipielle Differenzen fehlten, musste sich alles um die Person Sarah Wagenknechts drehen.
Es war allerdings immer unverständlich, weshalb die weitaus populärste Sprecherin der LINKEN nicht mehr von Kreisverbänden zu Kundgebungen eingeladen wurde, weil sie u.a. sozialdemokratische Positionen vertritt. Schließlich gab es in der LINKEN seit ihrer Gründung über die WASG einen starken sozialdemokratischen Flügel und einen Oskar Lafontaine. Eine örtliche LINKE, die darauf verzichtet, mit Sarah Wagenknecht 500 oder 1000 statt ohne sie 100 oder 200 Kundgebungsteilnehmer zu mobilisieren, demontiert  sich selbst.
Jetzt wirbelt der Krieg um die Ukraine alle internen Debatten in Der LINKEN durcheinander. Nun heißt es nicht mehr: „Bist du für Sarah Wagenknecht oder gegen sie?“, sondern: „Bist du für Waffenlieferungen an die Ukraine, für Sanktionen und Wirtschaftskrieg gegen Russland oder dagegen“?
Hier bezieht Sarah Wagenknecht eine klare Position gegen den Angriff Putins und gegen den Wirtschaftskrieg der Bundesregierung-EU-USA, für die Verteidigung des Lebensstandards der Lohnabhängigen. Dagegen wagt es die Parteiführung der LINKEN nicht, ein konsequentes NEIN gegen den Kriegskurs der herrschenden Klasse, ihrer Parteien und Medien auszusprechen, geschweige denn auf der Straße zu organisieren. Das brachte manche ihrer Kritikerinnen und Kritiker in der LINKEN wieder auf die Seite von Sarah Wagenknecht.
Eine Abspaltung des Wagenknecht-Flügels mit Parteigründung muss daher nicht ein bloßer bürokratischer Akt bleiben, der in einer Sackgasse endet. Getragen von einer Bewegung gegen Inflation, Sanktionen, Waffenlieferungen und Krieg, könnte sich eine neue linke Partei bilden, die ähnlich hochkommt, wie die WASG durch die Bewegung gegen Hartz IV hochkam.
Sarah Wagenknecht ist nicht unser linker Star. In kriegerischen Zeiten ist die Wahrung der eigenen politischen Unabhängigkeit das kostbarste Gut, um ungeschminkt revolutionäre Ansichten kundzutun. Da wäre auch eine Wagenknecht-Partei nur ein weiterer reformistischer Filter. Aber sie könnte helfen zu verhindern, dass die breite Stimmung und beginnende Opposition gegen Inflation, Krieg und Sanktionen am Ende die AfD stärkt.

RIR, Duisburg 26.11.22

- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -


Olaf Scholz, Putin und das Ganze
„Dieser Krieg ist Putins Krieg (…) Er allein trägt dafür die volle Verantwortung“, so Olaf Scholz im Februar in einer Fernsehansprache (Focus 24.02.22). Die Ursachen für den Krieg in der Ukraine werden in Putins Person gesucht. Bis heute überfluten uns die Medien mit Berichten und Dokumentationen über den russischen Präsidenten.  
Die bürgerliche Sicht fokussiert und reduziert sich auf den ´Verbrecher` Putin. Dem Diktator Putin stellt sie den „Helden“ Selenskyj gegenüber. Einige wenige Personen machen die Geschichte. Allenfalls umkreisen Putin noch ein paar ´Oligarchen` (die in Wirklichkeit Kapitalisten sind). Eine personalisierende Darstellung von Geschichte und Politik ist wieder voll angesagt.
Kommentare aus der Ukraine kritisieren die Darstellung von Olaf Scholz und verweisen auf eine Meinungsumfrage in Russland, wonach die große Mehrheit der Russinnen und Russen den Angriff ihrer Regierung auf die Ukraine unterstützt (ntv 19.03.22). Der Grund für die Erkenntnis liegt weniger in der Nähe zu Russland, die ein Verschweigen dieser Tatsache verbietet, als in der eigenen nationalistischen Sichtweise, die nicht nur einen einzigen Russen, sondern ´die` Russinnen und Russen zu Feinden macht.
Der Gesichtspunkt der Totalität
Die marxistische Methode ist der bürgerlichen entgegengesetzt. Die Dritte Bemerkung in seiner Schrift Das Elend der Philosophie beginnt Karl Marx mit dem berühmten Satz. „Die Produktionsverhältnisse jeder Gesellschaft bilden ein Ganzes“[1]. Der marxistische Philosoph Georg Lukács kennzeichnete 1921 den Marxismus weniger durch die „Vorherrschaft der ökonomischen Motive in der Geschichtserklärung“ als durch den „Gesichtspunkt der Totalität“. Zurecht sah Lukács „die Herrschaft der Kategorie der Totalität“ in der Wissenschaft  als „Träger des revolutionären Prinzips“ an[2].
40 Jahre später griff Jean-Paul Sartre in einer öffentlichen Debatte mit dem damaligen kommunistischen Philosophen Garaudy den Ansatz von Lukács wieder auf und verwies auf die Entdeckung Hegels, wonach „die Grundkategorie des Seins und des Denkens dieses Seins die Kategorie der Totalität“ sei. Mit Erkenntnis „der Totalität des Geschichtsprozesses (…) erfasst das Denken die historische Realität als eine Totalisation“[3].
Sartre verwies „gerade hinsichtlich der historischen Erkenntnis“ auf eine „diachronische (durch die Zeit hindurch)“ und eine „synchronische Totalisation (im gleichen Augenblick)“, die man nicht voneinander trennen könne[4]. Schon Marx hatte Proudhon gefragt, wie „die logische Formel der Bewegung, der Aufeinanderfolge, der Zeit allein den Gesellschaftskörper erklären“ könne, „in dem alle Beziehungen gleichzeitig existieren und einander stützen“[5]?
Bürgerliche Erkenntnisschranken
TV-Sendungen wie „Gefragt - Gejagt“ oder „Wer wird Millionär?“ verraten die Ideale der kapitalistischen Gesellschaft: Individualismus, Wettbewerb, Faktenidiotismus – vom Reichtum mal abgesehen. Für den einzelnen Kapitalisten zählt nur sein Profit – in Konkurrenz zu allen anderen Kapitalisten. Das prägt das Denken.
Bei ihrer Sicht auf die Ukraine können bürgerliche Medien und bürgerliche Politik nicht die „synchronische Totalisation“ berücksichtigen, denn dann müssten sie z.B. die Einkreisungs- und Destabilisierungsstrategie der USA und EU gegenüber Russland als eine Kriegsursache mitanerkennen. Sie sind auch gezwungen, den Gesichtspunkt der Totalität „durch die Zeit hindurch“ auszublenden, denn sonst würden sie z.B. über die von den USA mit über 5 Mrd. Dollar finanzierte Pflege der Parteienlandschaft in der Ukraine vor 2015 und über den eingefädelten Putsch gegen die Regierung Janukowitsch am 22.02.2014 stolpern. Die bürgerlichen Klasseninteressen bilden Erkenntnisschranken, die  notwendig zur Reduzierung der Ursachen des Kriegs in der Ukraine auf das Handeln des Diktators Putin führen.
Wer dagegen versucht, die marxistische Methode anzuwenden, konnte schon 2015 auf die sich aus der Konkurrenz der USA, EU und  Russland ergebende Kriegsgefahr in der Ukraine hinweisen (vgl. das Kapitel „Gegen die Kriegsgefahr protestieren!“ in unserer Ukraine-Broschüre: „Welche Haltung zu den Ereignissen in der Ukraine?“, S. 23, kostenloser Download).

RIR, Duisburg 14.08.22  


[1] Karl Marx, Das Elend der Philosophie, 7. Auflage, Berlin 1973,  S. 111.
[2] Georg Lukács, Rosa Luxemburg als Marxist, in: Geschichte und Klassenbewusstsein, 3. Aufl., Darmstad/Neuwied 1975, S. 94.
[3] Existentialismus und Marxismus. Eine Kontroverse zwischen Sartre, Garuda, Hyppolite, Vigier und Orcel, Frankfurt/M., 3. Aufl., 1968, S. 18f.
[4] Ebd., S. 23.
[5] Karl Marx, Das Elend der Philosophie, 7. Auflage, Berlin 1973,  S. 112.

- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -

1. Mai 2020
Spenden wir Vio.Me einen Generator!


Seit nunmehr 7 Jahren haben die Arbeiter*innen von Vio.Me ihre Fabrik rückerobert. Sie haben sich in Selbstverwaltung ohne Bosse organisiert und mit gleichen Löhnen und Jobrotation gearbeitet. Damit sind sie nicht nur in Griechenland zu einem Leuchtturmprojekt für Arbeiterselbstverwaltung und Rückeroberung von Betrieben geworden.
Nun nutzte die Mitsotakis-Regierung die Coronakrise und den von ihr selbst ausgerufenen „Kriegszustand“, um Vio.Me in die Knie zu zwingen. Am 30.3. hat die staatliche Stromgesellschaft DEI die Energieversorgung abgestellt. Nur mithilfe von geliehenen Generatoren kann die Belegschaft ein Minimum an Produktion aufrechterhalten.
Deshalb rufen die Arbeiter*innen von Vio.Me dazu auf, ihnen bei der Anschaffung eines Bio-Diesel Generators zu helfen. Denn “die Produktion, die uns am Leben hält, darf keine Minute unterbrochen werden“, appellieren sie an die internationalen solidarischen Unterstützter*innen. Daneben kann man jetzt vermehrt Vio.Me-Produkte kaufen, u.a. zur Belieferung der Flüchtlingslager in Griechenland.
Mit vielen anderen, in Griechenland und international, haben wir das Vio.Me-Projekt solidarisch unterstützt, z. B. mit der Sammlung für einen Autotransporter.
Die Anschaffung dieses Generators ist nach Absprache mit Vio.Me jetzt das Wichtigste. Wir rufen deshalb zur Unterstützung und Verbreitung dieses Aufrufs auf.
Griechenland Solidaritätskomitee Köln (gskk.org)

Spenden auf das Konto:
Manfred Neugroda
Santander Consumerbank
IBAN: DE65 500 333 00 2173854100
BIC: SCFEDE33XXX
Kennwort: viome

- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -


Franz Steinkühler, Klaus Zwickel, Jürgen Peters und Detlef Wetzel (IG Metall) rufen gegen den Krieg Russland – Ukraine auf:
„Frieden schaffen!“
Eine „Friedensinitiative aus der Mitte der Gesellschaft“ veröffentlichte den Aufruf „Frieden schaffen! Waffenstillstand und Gemeinsame Sicherheit jetzt“! Er fordert einen Waffenstillstand, Verhandlungen der Kriegsparteien unter deutscher Vermittlung und eine Fortsetzung der Friedens- und Entspannungspolitik, die unter dem SPD-Kanzler Willy Brandt vor Jahrzehnten begonnen wurde.
Er fordert nicht den Stopp aller Waffenlieferungen und nicht den Stopp der Sanktionen gegen Russland!
Inhaltlich äußerst bescheiden liegt die Bedeutung des Aufrufs im Kreis seiner UnterzeichnerInnen. Es handelt sich um ehemalige hohe SPD-Funktionäre wie den ex-SPD-Vorsitzenden Borjans und die frühere stellv. SPD-Vorsitzende Dieckmann bis hin zu ex-SPD-Ministern.  Die meisten Unterzeichner und Unterzeichnerinnen sind jedoch ehemalige IGM-Spitzenfunktionäre oder solche aus anderen Gewerkschaften. Unter ihnen befinden sich die vier früheren Vorsitzenden der IG Metall: Franz Steinkühler, Klaus Zwickel, Jürgen Peters und Detlef Wetzel. Es unterschrieben auch die ehemaligen DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann und Michael Sommer, die früheren Gewerkschaftsvorsitzenden Schmoldt (IGBCE), Möllenberg (NGG) und Kirchner (Eisenbahner Gewerkschaft).
Viele von ihnen gingen Anfang der 1970er Jahre als aktive GewerkschafterInnen für Willy Brandt auf die Straßen und traten in die SPD ein. Das war damals Voraussetzung, um im Gewerkschaftsapparat Karriere zu machen. Dort gehörten sie nicht einmal zum linken Flügel der Gewerkschaftsbürokratie, sondern zum zentralen Apparat. Sie bildeten Jahrzehnte lang eine wichtige Stütze der SPD-Politik erst unter Willy Brandt, dann unter Helmut Schmidt und schließlich unter Gerhard Schröder.
So kamen sie von unten „in der Mitte der Gesellschaft“ an.  Nicht wenige blieben in der Sozialdemokratie hängen. Wenn sie dort noch Einfluss haben, dann in der SPD-AG 60 Plus, die 250.000 von insgesamt 380.000 SPD-Mitgliedern zählt. Wenn heute aus dieser politischen Generation der herrschende Konsens der Unterstützung der Ukraine ansatzweise in Frage gestellt wird, heißt das: es herrscht Unruhe in der SPD.
Ohne sich die politische Lage Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre in Erinnerung zu rufen, ist der heutige Aufruf „Frieden schaffen!“ nur schwer zu verstehen.
Es gab ja nicht nur die Bewegung der StudentInnen (u.a. Mai 68 in Frankreich, die Bewegung gegen den Vietnam-Krieg, gegen Springers BILD und das rechte Attentat auf Rudi Dutschke), die Bewegungen der SchülerInnen und Lehrlinge, sondern scharfe Klassenkämpfe mit Streikwellen 1969 und 1973, die außerhalb der Kontrolle der Gewerkschaftsbürokratie brandeten. Ausgehend von den IG Metall-Vertrauensleuten im Dortmunder Hoesch-Stahlwerk, unter denen die DKP einen starken Einfluss hatte, entwickelten sich im September 1969 Streiks für mehr Lohn. Eine weitere Streikwelle 1973 führte u.a. zum Kampf bei Ford in Köln, der wegen der Spaltung in Deutsche - MigrantInnen in einer Niederlage endete, aber auch zu dem Streik überwiegend migrantischer Frauen bei Pierburg in Neuß gegen die sog. Leichtlohngruppen. An diesen Kämpfen waren auch Mitglieder der revolutionären Linken beteiligt.  
Meist wird aber die Streikwelle von 1972 übersehen, mit der die Arbeiterklasse versuchte, das  parlamentarische Misstrauensvotum der CDU unter Barzel gegen die SPD-FDP-Regierung unter Willy Brandt außerparlamentarisch zu verhindern. In zahlreichen Betrieben z.B. dem damals größten Maschinenbauer Europas GHH in Oberhausen-Sterkrade organisierten IGM-Vertrauensleute und SPD-Betriebsgruppen Streiks gegen den Barzel-Coup im Bundestag am 24. April 1972.
Das Verbot von politischen Streiks im Nachkriegsdeutschland ist selten so deutlich durchbrochen worden.
So heftig wie die CDU-CSU mit Unterstützung von Vertriebenenverbänden und alten Nazis die  Ostpolitik Willy Brandts bekämpfte, weil die Antikommunisten nicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete verzichten wollten, so vehement unterstützte die Arbeiterklasse Willy Brandts Entspannungspolitik. Sie sah in ihr bloß eine demokratische Reform, nicht auch eine Strategie der Kapitalisten, um sich neue Märkte in Osteuropa zu öffnen.
In diesen drei Streikwellen bildete sich in den Betrieben eine klassenkämpferische Vorhut von ArbeiterInnen, die überwiegend sozialdemokratisch orientiert war. Deshalb versackten Diskussionen im linken Flügel der IG Metall-Gewerkschaftsbürokratie über die Bildung einer Sozialistischen Arbeiterpartei wieder. Die revolutionäre Linke war zu zersplittert, um ihren Organisationsversuchen zum Erfolg zu helfen.
Der Barzel-Coup scheiterte an drei Stimmen, wozu angeblich auch die Enthaltung von Franz-Josef Strauß (CSU) gehörte. Aber die Politisierung blieb. Mindestens zweihunderttausend junge Menschen traten in die SPD als JungsozialistInnen ein. Zehntausende Arbeiterinnen und Arbeiter wurden Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Unter ihnen fühlten sich auch viele MigrantInnen zu Willy Brandt politisch hingezogen. Der Schwiegervater des Autors, der als Thyssenarbeiter auf dem Altmarkt in Duisburg-Hamborn Willy Brandt die Hand schüttelte, war einer von ihnen. Er trat damals in die SPD ein und trug bis an sein Lebensende ein Foto des SPD-Kanzlers in seiner Geldbörse. Andere integrierten sich „in der Mitte der Gesellschaft“. Nicht wenige traten später enttäuscht wieder aus der SPD aus.
Viele der UnterzeichnerInnen des Aufrufs „Frieden schaffen!“ haben diese Kämpfe aktiv miterlebt. Sie können und wollen ihre politischen Lehrjahre von damals nicht vergessen. Ihr illusionärer Appell an den imperialistischen Politiker Olaf Scholz („Wir ermutigen den Bundeskanzler, zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen“), täuscht nicht darüber hinweg, dass manche im tiefsten Herzen die Unterstützung der Ukraine mit Waffen durch die Regierung Scholz und die Kühnert-SPD  und deren Sanktionspolitik gegenüber Russland als Verrat an der Entspannungspolitik Willy Brandts empfinden.
So inhaltlich schwach die Initiative „Frieden schaffen!“ auch ist, das breite Spektrum ihrer UnterzeichnerInnen wird dafür sorgen, dass sie in Betrieben und Gewerkschaften ein Echo findet. Bisher hat jedoch noch kein aktiver IG Metall-Bevollmächtigter oder IGM-Sekretär aus dem Ruhrgebiet den Aufruf unterschrieben. Auch in Süddeutschland fand sich bisher wenig Unterstützung. Das liegt daran, dass der Aufruf in der SPD-Hochburg Hannover / Niedersachsen entstand. Es liegt auch daran, dass aktive IGM-Sekretäre die politisierenden Erfahrungen der 1970er und 1980er Jahre höchstens aus Büchern kennen. Es liegt aber vor allem daran, dass die IG Metall-Bürokratie bei den Scholz und Künert betteln geht, damit die Regierung den Kapitalisten die Umstellung auf grüne Produktion finanziert. Und da möchte man den SPD-Ministern nicht vor den Kopf stoßen.

Der Aufruf der Initiative findet sich unter: https://frieden-und-zukunft.de/2023-04-01_aufruf-frieden-schaffen/

RIR, Duisburg 23.04.2023

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Solidarität mit den ArbeiterInnen von Vio.Me in Thessaloniki!
Am 26.11.2015 begann in Thessaloniki das Verfahren zur Zwangsversteigerung der Firma Viomihaniki Metalleutiki (Vio.Me). Der Betrieb ist seit zweieinhalb Jahren von den Arbeitern besetzt. Die Produktion wurde umgestellt und unter eigener Kontrolle fortgeführt. Die Zwangsversteigerung dient dazu, eines des bekanntesten Projekte der Arbeiterselbstverwaltung in Griechenland kaputt zu machen.

Die Arbeiter von Vio.Me hatten ihre Fabrik besetzt, nachdem der Eigentümer sie 2011 verlassen hatte. Früher produzierten sie bei Vio.Me Baumaterialien. Heute stellen sie sog. >solidarische Produkte< wie z.B. biologische Reinigungsmittel her. Die Arbeiter beschreiben ihr Projekt: „Die Produktion hält nicht nur die Fabrik am Laufen, sondern sie ermöglicht es uns und unseren Familien, physisch und psychisch durchzuhalten. Sie hilft uns, lebendig zu bleiben, unsere Würde zu behalten und negative Auswirkungen der Langzeitarbeitslosigkeit wie Angst, das Gefühl der Nutzlosigkeit und Depression zu vermeiden“. Die Produkte werden kostengünstig an Einzelpersonen und Kollektive verkauft. Ziel ist die Wiedereröffnung der Fabrik auf stabiler rechtlichen Grundlage. Gleichzeitig ist Vio.Me ein Vorzeigeprojekt der Arbeiterkontrolle und Arbeiterselbstverwaltung: „Unsere Entscheidungen fällen wir horizontal in den täglichen Arbeiterversammlungen. Das einzige individuelle Recht der Mitglieder der Kooperative ist die Teilnahme an und die Abstimmung in den Versammlungen“. Die Arbeiter und Vertriebs-Angestellten von Vio.Me sind bestrebt: „eine größere Gemeinschaft zu mobilisieren und die Vision zu verwirklichen, dass die Produktion von denjenigen betrieben wird, die den eigentlichen gesellschaftlichen Reichtum schaffen“! Vio.Me ist ein Versuch, der realistisch beweist, dass die Arbeiter-Emanzipation die passende Antwort auf die kapitalistische Wirtschaftskrise und die Politik der EU ist, die Hunderttausende Lohnabhängige und ihre Familien in Arbeitslosigkeit und Elend stürzt. (aus Aufrufen zur Unterstützung der ArbeiterInnen von Vio.Me)



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Spanien:
Veranstaltung mit: Isabel Serra von Podemos/Madrid
Viele Jüngere haben sich neu politisiert

Am 4. Oktober kam Isabel Sanchez von Podemos und Anticapitalistas Madrid nach Oberhausen, die auf Einladung der internationalen sozialistischen linken in Deutschland war. Nach ihrer Ankunft besuchte Isabel eine Demonstration der KollegInnen des Möbelhauses Rück, die gegen ihre Entlassung protestierten. Sie hielt dort eine kurze Grußadresse, in der sie ihre Solidarität mit den KollegInnen ausdrückte. Die anschließende, gut besuchte Veranstaltung vom Gesprächskreis Werner Wachner und der Partei Die Linke leitete Isabel mit einem Beitrag über die politische Lage in Spanien und über die neue linke Kraft Podemos ein. Sie stellte dar, wie Podemos aus der Bewegung der Plätze 15 M entstanden ist. Während die traditionelle Linke in Spanien ihre Forderungen häufig am grünen Tisch entwickelte, laufen heute sehr viel Debatten und Mobilisierungen über die sozialen Medien, was sie als Unterschied zur linken Bewegung in Deutschland einschätzte. Obwohl Isabel die Entwicklung in Podemos durchaus kritisch sah, habe es die neue linke Kraft doch bewirkt, dass die Gesellschaft nicht weiter nach rechts gerückt sei. Viele Jüngeren haben sich über Podemos neu politisiert. Die sozialistische Linke ist völlig neu strukturiert. Die Gewerkschaften kamen durch 15 M und Podemos stark unter Druck, haben aber nach wie vor große Schwierigkeiten, mit der sozialen Bewegung umzugehen. In der folgenden Debatte klärten sich einige Fragen der Anwesenden. Der Minimalkonsens von Podemos zur nationalen Frage, so Isabel, lautet: Basken, Katalanen und andere Nationalitäten sollen selbst darüber entscheiden, ob sie sich lostrennen wollen oder nicht. Podemos hatte bei den Wahlen in Katalonien jedoch die soziale und nicht die nationale Frage in den Vordergrund gestellt. In Spanien gebe es eine große Kampagne gegen Flüchtlinge, aber auch viel Hilfsbereitschaft und politische Unterstützung. Für Podemos sind alle Flüchtlinge willkommen.

Korrespondent

 
Besuch einer Demonstration der KollegInnen des Möbelhauses Rück. Gut besuchte Veranstaltung vom Gesprächskreis Werner Wachner und der Partei Die Linke im K14.


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Spanien:
Wer ist Podemos?
Basisbewegung gegen korrupten Politikbetrieb

In Spanien ist eine neue politische Kraft Podemos („wir können“) entstanden. Millionen von Menschen gingen seit dem 15. Mai 2011 für ihre Grundrechte wie Wohnung, Arbeit und Bildung auf die Straßen und besetzten die Plätze. Mit der Bewegung 15-M teilt Podemos Forderungen wie z. B. „Keinen Euro für die Rettung der Banken“, „Gegen die Prekarisierung des Arbeitsmarkts“ und „Reichtum verteilen“! Podemos funktioniert anders als die etablierten, neoliberalen Parteien PP und PSOE, die tief in Korruptionsskandalen stecken. Über Podemos aktivieren sich viele Menschen für ihre Interessen im Stadtteil. Sie sehen Podemos nicht nur als Wahlalternative. Sie nehmen dringende Veränderungen in die eigenen Hände, anstatt ihre Wünsche und Forderungen an bekannte PolitikerInnen heranzutragen, die die „nötigen Beziehungen“ haben. Podemos ist völlig basisdemokratisch aufgebaut und unterscheidet sich schon dadurch von den bekannten linken Parteien und Organisationen.

Über die politische Lage in Spanien, die Bewegung der Plätze und über die neue Kraft Podemos informiert uns Isabel Serra Sanchez. Sie kommt aus der Bewegung 15-M, vertritt Podemos in der Regionalversammlung von Madrid und ist außerdem Mitglied bei Anticapitalistas.




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Auf der Suche nach der „Arbeiterregierung“

Warum sollte man scheinbar veraltete Begriffe wie den der „Arbeiterregierung“ zur Untersuchung heutiger „Linksregierungen“ nutzen? Genügt es nicht, die Versprechen von Tsipras SYRIZA mit ihren Taten zu vergleichen? Diese nützliche Arbeit wird längst getan. Die internationale linke Presse ist voll davon. In einer Klassengesellschaft kann es jedoch nicht schaden, eine „Linksregierung“ nach Klassenkriterien zu untersuchen. Dabei könnte vielleicht helfen, sich an frühere „Arbeiterregierungen“ zu erinnern und in Erinnerung zu rufen, welche Kriterien damals die linke Kritik an sie angelegt hat.

Reformen sind Nebenprodukte des revolutionären Kampfes
ReformistInnen versprechen grundlegende Reformen durch die Instrumentalisierung des bürgerlichen Staatsapparats. Angeblich kann er für die Interessen der Arbeiterklasse in Bewegung gesetzt werden. Angesichts des bürgerlichen Klassencharakters von Streitkräften, Justiz, Schule/Uni, von Medien und in Griechenland der Macht der Kirche hieße das, einer Illusion nachzujagen. Ein Widerspruch der Geschichte lautet: Nicht reformistische Politik, nur revolutionäre Klassenkämpfe können wirkliche Reformen erreichen. Denn für MarxistInnen sind Reformen Nebenprodukte des revolutionären Klassenkampfes der ArbeiterInnenklasse. Ohne revolutionären Kampf keine Reformen, die ihre Lage spürbar verbessert. Die 8-Std.-Schicht, das Frauenwahlrecht und das allgemeine Wahlrecht in Deutschland waren Ergebnis der Novemberrevolution 1918. Die 7-Std-Schicht im Bergbau war das Ergebnis der Massenstreiks 1919 im Ruhrgebiet. Eines sind grundlegende Reformen sicherlich nicht: das Resultat einer klugen Regierungspolitik reformistisch-sozialistischer Parteien.

Wahlen statt Generalstreik
Wer von der Regierung Tsipras grundlegende „Reformen“ erwartet, dürfte früher oder später enttäuscht werden. In Griechenland fehlt es nicht an Reformversprechen von SYRIZA; es fehlen die Klassenkämpfe, um grundlegende Veränderungen durchzusetzen. Längst fand eine gegenteilige Entwicklung statt: Nach ca. 20 Generalstreiks, die wegen ihres rein demonstrativen Charakters das Programm der Troika nicht stoppen konnten, schwand das Vertrauen der ArbeiterInnenklasse in die eigene Kraft und in weitere Aktionsmöglichkeiten. Die Arbeiterbewegung ist nicht zerschlagen worden; sie bleibt weiterhin kampffähig. Sie orientierte sich aber um, weg von der Straße, hin auf die Wahlebene. Der Wahlsieg von SYRIZA und die „Linksregierung“ Tsipras sollten die eigene Aktion ersetzen. Auch die „Bewegung der Plätze“ brach ein. Manche Linke sagen dazu: „SYRIZA sei ein Mandat erteilt worden“. Das von vielen hiesigen Linken bejubelte Wahlergebnis von SYRIZA in Griechenland ist nicht Zeichen eines Aufschwungs der Klassenbewegung, sondern ihres Stillstands. Hoffentlich ändert sich das morgen und die ArbeiterInnenklasse wird plötzlich wieder auf die Straße gehen. Vielleicht sogar, um „ihre“ Regierung Tsipras gegen EU und Troika zu verteidigen. Aber zurzeit herrschen Passivität, Vertrauen auf andere und die Hoffnung „Tsipras wird es machen“. Noch einmal: Ohne offene Klassenkämpfe wird es in Griechenland und anderswo keine Reformen geben, die diesen Namen verdienen, von einer revolutionären Entwicklung ganz zu schweigen.

Die „Arbeiterregierung“ in Griechenland
Für Linke mit trotzkistischer Tradition gehören „Einheitsfront“ und „Arbeiterregierung“ zu den politischen Standards, die gern auf die aktuelle Situation angewandt werden. Was haben wir von TrotzkistInnen in der BRD in der Vergangenheit nicht schon alles als Formeln für die „Einheitsfront“ und/oder die „Arbeiterregierung“ – als zeitgemäße Anwendung der Erfahrungen des IV. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale – präsentiert bekommen: eine SPD-Alleinregierung, eine Regierung SPD-Grüne, eine Regierung SPD-Grüne-PDS, eine Regierung SPD-PDS, eine Regierung SPD-Grüne-Die Linke, eine Regierung SPD-Die Linke. In Wirklichkeit hat sich die Losung von der „Arbeiterregierung“ nicht als altbewährte, revolutionäre, auf die heutigen Verhältnisse angewandte Formel erwiesen, sondern als Parole des gemäßigten Reformismus um Gregor Gysi. Der linke Flügel DER LINKEN lehnt bekanntlich Regierungsbeteiligungen ab. Doch leider ist es bei Formeln nicht geblieben. Kam eine der genannten Koalitionen zustande, erwies sie sich als ganz normale bürgerliche Regierung, die nur eines im Schilde führte: die Krise des Kapitalismus auf die ArbeiterInnenklasse abzuwälzen. Wer so oft mit seiner Politik daneben lag, dem fällt es nicht schwer, die Regierung Tsipras zu einer Art „Arbeiterregierung“ zu verklären. Manchmal wird sogar ausgeklammert, dass sich SYRIZA in Koalition mit der rechten ANEL befindet. Das Bündnis mit Kammenos war ein Signal von Tsipras an die griechische Bourgeoisie, dass seine Regierung keine grundlegenden Änderungen vornehmen wird. Umgekehrt ist Kammenos der Garant der Bourgeoisie in der Tsipras-Regierung, dass nichts anbrennt. Für die ArbeiterInnenklasse kann bei einer solchen Koalition nichts herauskommen. Das mindeste wäre es, den volksfrontähnlichen Charakter des Bündnisses zu kritisieren und den Rauswurf der griechischen Variante der AfD aus der Regierung zu fordern, wie es einige vom linken Flügel in SYRIZA tun. Auch das undemokratische Wahlverfahren wird in der hiesigen linken Presse kaum erwähnt. SYRIZA erreichte 2.246.064 Stimmen (ca. 1/3 der abgegebenen Stimmen und ca. ¼ der Wahlberechtigten). Im Vergleich zur vorhergehenden Parlamentswahl im Juni 2012 hat die „Vereinte Soziale Front“ damit ca. 600.000 WählerInnen gewonnen. Im Vergleich der Parlamentswahl 2015 zu der vom Mai 2012 gewann SYRIZA sogar 1,2 Mio. WählerInnen hinzu. Das war ein großer Wahlsieg. Aber die Regierungsübernahme verdankte SYRIZA vor allem dem undemokratischen Wahlsystem, das der stärksten Partei fünfzig Extrasitze im Parlament zuschiebt. Die Regierung Tsipras beruht nicht auf der Mobilisierung der ArbeiterInnenklasse, sondern auf einer parlamentarischen Kombination.

Eine wichtige Verschiebung
Die aktuelle Passivität der ArbeiterInnenklasse in Griechenland schließt keineswegs ihre parteipolitische Radikalisierung aus. Die Bedeutung des Wahlsieges von SYRIZA liegt genau in diesen politischen Verschiebungen innerhalb der ArbeiterInnenklasse: ihre Mehrheit ist von PASOK zu SYRIZA gegangen. Das drückt einen wichtigen Bewusstseinswandel aus. So könnte es passieren, dass die ArbeiterInnenklasse aktiv wird, um die „Bremse“ ANEL aus der Regierung zu drängen. Natürlich wäre eine solche Bewegung zu unterstützen – um eine „revolutionäre Arbeiterregierung“ zu fordern, die revolutionäre Maßnahmen durchsetzt (siehe das Programm von ANTARSYA). Ähnlich wichtige politische Brüche zeichnen sich im Spanischen Staat ab, wo viele von der PSOE zu PODEMOS gehen, und in der Türkei, wo die alevitische Religionsgemeinschaft sich von der CHP auf die kurdische HDP umorientiert. Bei allen Unterschieden zwischen den Ländern können solche parteipolitischen Brüche für die antikapitalistische Linke nicht hoch genug eingeschätzt werden. Welche konkreten Taktiken sich in Griechenland daraus ergeben, wissen die GenossInnen von ANTARSYA sicherlich besser, als von außen zu beurteilen ist. Gegenüber dieser Verschiebung innerhalb der Arbeiterklasse nach links ist die nach dem Wahlsieg von SYRIZA stark angestiegene Zustimmung zur Regierung Tsipras von untergeordneter Bedeutung. Eine Regierung, für die plötzlich alle sind, der Kapitalist wie der Arbeiter, der demokratische Kommunist wie der gestrige Wähler der Goldenen Morgenröte, wird bei der nächsten Wendung ebenso plötzlich den Großteil dieser neuen „UnterstützerInnen“ verlieren können.

Wo ist die „Einheitsfront“?
Für viele TrotzkistInnen soll bei Wahlen eine „Arbeiterregierung“ aus der „Einheitsfront der Arbeiterparteien“ entstehen, welche für die „Arbeiterregierung“ eine Art Basis bilden soll. Setzt man „Arbeiterparteien“ mit „linken Parteien“ gleich, dann müsste eine Einheitsfront in Griechenland eigentlich aus SYRIZA, der stärksten linken Wahlpartei, und der KKE, der kommunistischen Minderheitspartei in der ArbeiterInnenbewegung, bestehen. Eine solche Einheitsfront gibt es nicht. Sie wird auch von (fast) niemandem in der revolutionären Linken vorgeschlagen, was – wenn überhaupt – mit der Aussichtslosigkeit des Zustandekommens einer solchen „Einheitsfront“ begründet wird. Mit anderen Worten: In Griechenland fehlt eine „Einheitsfront der Arbeiterparteien“, die angeblich die Voraussetzung für eine „Arbeiterregierung“ sein soll. Käme sie zustande, dann könnte sie die offenen Klassenkämpfe der ArbeiterInnenklasse nicht ersetzen, aber ermutigen. Das revolutionäre Bündnis ANTARSYA ist schwach. Es kann zwar eine „Einheitsfront der Arbeiter-Innenklasse“ propagieren, sie aber nicht erzwingen. ANTARSYAS Einflussmöglichkeiten liegen in der Gewerkschaftsopposition, in der sozialen und in der antifaschistischen Bewegung und in der Jugend. Im Kampf gegen faschistische Angriffe ist die Einheitsfront der ArbeiterInnenklasse absolut notwendig. Selbst sie ist nicht leicht herzustellen.

Ein historischer Hinweis von Ernest Mandel
Der marxistische Theoretiker Ernest Mandel hat einmal betont, dass von den vielen linken Regierungen allein die Landesregierungen im Oktober 1923 in Sachsen und Thüringen wirkliche Arbeiterregierungen gewesen seien, weil sie sich auf Basisorgane der ArbeiterInnenklasse gestützt hätten. Für die Ansicht von Mandel gab es gute Argumente. Im Krisenjahr 1923 radikalisierten sich die ArbeiterInnenklasse und ihre Betriebsräte. Nicht nur im Ruhrgebiet dürften sie mehrheitlich kommunistisch gewesen sein. Wohl deshalb fanden in diesem Jahr keine Betriebsratswahlen statt – zumindest nicht im Bergbau. Die Herrschenden wollten der immer radikaleren Stimmung der ArbeiterInnenklasse keine neuen organisatorischen Stützpunkte bieten. Der einzig erfolgreiche Generalstreik, den die KPD je initiieren konnte, ging von einer Versammlung von 12.000 Betriebsräten in Berlin aus, die zum Sturz der Reichsregierung Cuno aufriefen. Diese wurde im Sommer 1923 in wenigen Tagen weggestreikt. Neben den Betriebsräten, auf die sich die „linken“ Landesregierungen in Sachsen und Thüringen stützen konnten, gab es sog. „Hundertschaften“, Kampfformationen aus Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaftern und Unorganisierten. Mandel überschätzte zwar die Politik der „Arbeiterregierungen“ in Sachsen und Thüringen ebenso wie die Organe der Selbsttätigkeit der Arbeiterklasse . Aber er machte darauf aufmerksam, dass eine „Arbeiterregierung“, die den Namen verdient, sich auf Basisorgane stützen muss, wie immer diese aussehen. Eine „Arbeiterregierung“ ohne solche Stützen der ArbeiterInnenklasse ist eine ganz normale bürgerliche Regierung im Rahmen des Kapitalismus.

Die Position der linken Opposition in der KPD

Anders als später Ernest Mandel gingen 1923 die damaligen linken Kommunisten (sie stellten 1924-1925 die Parteiführung der KPD) bei den Regierungskoalitionen von linker SPD und der KPD in Sachsen und Thüringen nicht von „Arbeiterregierungen“ aus. Zwar waren die linken Kommunisten die Ersten in der KPD, die überhaupt eine „Arbeiterregierung“ anstrebten, aber sie nannten dafür bestimmte Kriterien:

• es sei illusionär, dass eine „Arbeiterregierung“ die Forderungen der „Arbeiterklasse“ über den bürgerlichen Staatsapparat verwirklichen könne;

• ihre Forderungen sollte die Arbeiterklasse selbst durchsetzen, statt für sie der bürgerliche Staatsapparat;

• die für eine „Arbeiterregierung“ notwendige Einheitsfront müsse die Klasse mobilisieren, statt sich auf Verhandlungen der Partei- und Gewerkschaftsspitzen zu beschränken;

• alle Verhandlungen über „Arbeiterregierung“ und „Einheitsfront“ müssten öffentlich, statt geheim geführt werden;

• die RevolutionärInnen dürften während der „Arbeiterregierung“ und der „Einheitsfront“ nie auf die Kritik an der Politik des Reformismus verzichten;

• „Arbeiterregierung“ und „Einheitsfront“ dürften von einer „Taktik“ nicht zu einer „Strategie“ werden;

• inhaltlich dürften keine unnötigen Zugeständnisse erfolgen;

• „Arbeiterregierung“ und „Einheitsfront“ könnten nur im Kampf entstehen;

• Käme es zu offenen Klassenkämpfen, dann würden sich Organe der Selbsttätigkeit (z.B. deutschlandweite Betriebsrätekongresse) bilden, auf die sich „Einheitsfront“ und „Arbeiterregierung“ stützen müssten;

• die Unterstützung reformistischer Minderheitsregierungen sei abzulehnen, da es sich um bürgerliche Regierungen handle;

• RevolutionärInnen sollten für eine „Arbeiterregierung“ ein revolutionäres Programm vorschlagen, das z.B. die Kontrolle der Produktion und die Nationalisierung der Großbetriebe beinhalte;

• eine solche „Arbeiterregierung“ würde den Rahmen des Kapitalismus sprengen.



Schon ein kurzer Blick zeigt: Auch im historischen Vergleich hat die Regierung SYRIZA nichts mit einer „Arbeiterregierung“ zu tun. Tsipras SYRIZA:

• sieht die Regierungsübernahme als entscheidenden Schlüssel (Strategie), um Politik zu machen;

• will Änderungen mittels des bürgerlichen Staatsapparats durchsetzen;

• setzt nicht auf Mobilisierungen der ArbeiterInnen für ihre Klasseninteressen, sondern auf eine begrenzte und kontrollierte Mobilisierung zur Unterstützung seiner Regierung;

• führt hinter dem Rücken ihrer WählerInnen Geheimverhandlungen mit anderen Parteien;

• wehrt sich gegen Kritik von links;

• kratzt nicht einmal den Rahmen des Kapitalismus an;

• baut keine lokalen und betrieblichen Basisorgane der Einheit der ArbeiterInnenklasse auf, um sich als Regierung darauf zu stützen;

• verfolgt keine systemsprengenden Forderungen;

• geht ein Bündnis mit der rechtspopulistischen ANEL ein.

Ob Mandel in der Rückschau oder die linken Kommunisten im Jahr 1923 recht hatten, sei dahingestellt. Sie teilten sich aber mindestens ein Kriterium: Dass eine wirkliche „Arbeiterregierung“ auf Organen der Selbsttätigkeit der ArbeiterInnenklasse basieren muss. Sicherlich ist ein historischer Vergleich immer schwierig. Die Unterschiede liegen auf der Hand: 1923 haben selbst die moderaten Kommunisten um den KPD-Leiter Heinrich Brandler in den Führungskreisen der KPD davon geredet, Minister in Sachsen zu werden, um die Arbeiter besser bewaffnen zu können. Dagegen bekam Kammenos von Tsypras das Verteidigungsministerium übergeben, damit die Streitkräfte von jeder linken Versuchung unangetastet ein treues Instrument der Bourgeoisie bleiben.

Wo bleibt die Selbstorganisation?
Die „Einheitsfront der ArbeiterInnenklasse“ wird häufig auf eine „Einheitsfront der Arbeiterparteien“ reduziert. Eine solche Verkürzung ist falsch, da die Einheitsfront die große Mehrheit der Klasse umfassen soll und nicht nur die X-tausend Mitglieder der „linken“ Parteien. Eine „Einheitsfront der Arbeiterparteien“ braucht keine Organe der Selbsttätigkeit bzw. versteht allenfalls die Gewerkschaften als solche. Kommt es jedoch zu offenen, anhaltenden Klassenkämpfen, dann schafft sich die „Einheitsfront der ArbeiterInnenklasse“ automatisch ihre Organe, um die Mobilisierung und die Selbsttätigkeit zu organisieren. Eine „Arbeiterregierung“, die ihren Namen verdient, baut nicht auf „Arbeiterparteien“ und „Gewerkschaften“ auf, sondern auf der Koordination der Organe der Selbsttätigkeit der ArbeiterInnenklasse. Solche Organe gibt es in Griechenland bis heute nicht – zumindest nicht in nennenswertem Umfang.

„Arbeiter- und Bauernregierung“ Rojava
Wer solche Organe der Selbsttätigkeit sucht, wird schnell fündig – nicht im europäischen Griechenland, sondern bei den LandarbeiterInnen, Bauern/BäuerInnen und der städtischen Armut im nahöstlichen Rojava. Dort hat keine sozialistische Revolution stattgefunden, aber es gibt grundlegende Reformen z.B. die 40 %-Quotierung für Frauen auf allen Ebenen der Selbstverwaltung; die Gleichberechtigung der Nationalitäten, die Gleichberechtigung der Religionen. Sie bilden wesentliche Grundlagen der Selbstverwaltung. Das Ganze wird durch die allgemeine Volksbewaffnung verteidigt. Die Reformen in Rojava sind Nebenprodukte eines dreißigjährigen, grenzübergreifenden, revolutionären Kampfes der kurdischen Befreiungsbewegung. An deren Spitze stehen die revolutionären Parteien PYD und PKK. Die drei Regionalregierungen Rojavas in Efrin, Kobane und Cizre stützen sich auf die Selbsttätigkeit vieler Basisinitiativen / Komitees in Dörfern und Stadtteilen. Das erinnert an die alte marxistische Formel von der „Arbeiter- und Bauern-Regierung“, die von einer revolutionären Massenbewegung – in Rojava von der linken kurdischen Befreiungsbewegung – getragen wird. Wer eine „Arbeiter- (und Bauern)regierung“ sucht, findet sie in Rojava und nicht in Griechenland.

Schlussfolgerung

Ob in Rojava oder in Griechenland – internationale Solidarität sollte heißen:

• materielle Unterstützung der Selbsttätigkeit (konkrete Projekte der Selbsttätigkeit der ArbeiterInnenklasse in Griechenland; konkrete Projekte zur Unterstützung des Systems der Selbstverwaltung in Rojava wie z.B. Wiederaufbau des Gesundheitswesens in Kobane);

• politische Unterstützung der Selbsttätigkeit durch Information über ihrer „Modelle“;

• politische Solidarität mit der kurdischen Befreiungsbewegung, mit PKK und PYD; politische Solidarität mit ANTARSYA, anstatt der Regierungspolitik von Tsipras hinterher zu laufen.

Die Zahl der „linken“ reformistischen Regierungen in der Weltgeschichte, die sich alle als durch und durch bürgerlich erwiesen haben, ist so groß, dass sie kaum nachzuhalten ist. An grundsätzlicher Kritik an ihnen hat es nie gefehlt. Revolutionär-marxistische Organisationen sollten als historisches Gedächtnis funktionieren, um eine Grundsatzkritik zu vermitteln und das Problembewusstsein zu schärfen, statt bürgerlichen „Linksregierungen“ hinterher zu laufen.

RIR, Peter Berens, 20.4.2015



Solidarität mit dem revolutionären Rojava!

Das NATO-Land Türkei ist in Syrien eingefallen. Erdogan will in einer „30 km-Sicherheitszone“ syrische Flüchtlinge unter Kontrolle der Dschihadisten ansiedeln.
Die Türkei will Rojava besetzen. Die USA, die EU und Russland lassen Rojava im Stich. Aber Hunderttausende gehen europaweit und weltweit für das basisdemokratische Rojava auf die Straße. Ihr Internationalismus wird die Türkei isolieren.


1000 Menschen protestierten am 10.10.19 in Duisburg

Die Politik der Türkei ist die Politik des IS!
2014 hatte der Islamische Staat (IS) versucht, Kobane und ganz Rojava zu erobern. Dem IS waren die Gleichberechtigung der Frauen, der Nationalitäten und der Religionen zutiefst verhasst. Was dem IS damals nicht gelungen ist, versuchen Erdogan und seine dschihadistischen Bündnispartner fortzuführen. Aber der Einmarsch der türkischen Armee und der syrischen Dschihadisten wird ebenso an den Kämpferinnen und Kämpfern der YPG scheitern wie der Angriff des IS! Damals ließen 11.000 KämpferInnen der YPG ihr Leben.

Grünes Licht der Großmächte
Russland gab der Türkei grünes Licht für den Einmarsch in Afrin. Dafür bekam Syrien von der Türkei das JA zur Eroberung von Khan Shaykhun. Trump gab Erdogan grünes Licht für den Einmarsch nach Kobanê und Cizîrê. Was bekommt Trump dafür von Erdogan?
Die Verurteilung des Einmarsches durch die EU „scheiterte“ an Ungarn. Zog Deutschland  hinter den Kulissen die Fäden?
USA und EU haben sich gegenseitig bei den Sanktionen gegen die Besetzung der Krim durch Russland überboten. Beim Angriff der Türkei auf Syrien / Rojava spitzen sie nur die Lippen. Die Imperialisten benutzen die Völker des Nahen Ostens als Schachfiguren für ihre Ölinteressen und ihre Machtpolitik.

Trumps Parteifreunde empört
Republikanische SenatorInnen kritisieren Trump. Haben sie Angst vor dem Verlust der Glaubwürdigkeit? Sind sie besorgt um die christlichen Minderheiten in Rojava? Die republikanischen SenatorInnen vestehen nicht,  warum Trump vor dem geplanten Angriff auf den Iran seine kurdischen Verbündeten fallen gelassen hat. Das ist ihre wirkliche Kritik. Damit wird Trump Erdogan nicht gewinnen.

Und Deutschland?
Von der Regierung Merkel-Scholz-Seehofer ist keine Solidarität mit den KurdInnen zu erwarten. Ihre klammheimliche Freude über Erdogans Einmarsch ist groß. Jetzt sollen die syrischen Flüchtlinge in der Türkei weg von der EU und weg von Deutschland gelenkt werden. Eine türkisch-dschihadistische Sicherheitszone als neue Mauer in Nordsyrien macht es Merkel-Scholz und Seehofer leicht, die Flüchtlingsfrage in ihrem Sinne zu lösen. Kurdischen  Flüchtlingen würde es dann sehr erschwert, in die EU zu gelangen.

Basisdemokratie mit Sprengkraft
Rojava hat eine revolutionäre, basisdemokratische Selbstverwaltung. Der demokratische Konföderalismus bietet weitgehende Rechte für Frauen, religiöse und nationale Minderheiten. Hinzu kommen soziale Rechte wie die Subvention von Brot und Benzin.
Diese revolutionäre Selbstverwaltung ist im Nahen Osten einzigartig. Selbst die kleinste selbstverwaltete Genossenschaft des „demokratischen Konföderalismus“ hat ungeheure revolutionäre Sprengkraft gegenüber den diktatorischen Regimen im Nahen Osten und der halben Diktatur in der Türkei. Ein revolutionäres Rojava als Nachbarin ist für jede türkische Regierung, ob AKP oder CHP, unerträglich.
Für Erdogan war der Angriff auf Rojava der letzte Strohhalm, um seine politische Stellung in der Türkei zu retten. Die CHP ist sofort auf Erdogans Kriegskurs eingeschwenkt. Ihr de facto-Bündnis mit der HDP ist gesprengt.

Unsere Solidarität mit dem „demokratischen Konföderalismus“
Wir gehen nicht nur für Rojava auf die Straßen. Unsere Solidarität ist auch eine politische Solidarität mit dem „demokratischen Konföderalismus“. Warum soll nicht auch in Deutschland eine basisdemokratische Selbstverwaltung in den Betrieben und Verwaltungen möglich sein? Warum sollen nicht auch hier Beamte demokratisch gewählt werden? Lernen wir von Rojava. Kämpfen wir hier für die Enteignung der Betriebe und für ihre basisdemokratische Selbstverwaltung.

Deutsche Waffen ...
Nicht weit von hier in Düsseldorf wird bei Rheinmetall die Glattrohrkanone für den Panzer Leopard 2 gemacht, mit dem die türkische Armee in Rojava einmarschiert ist. Der Aufsichtsratsvorsitzende von Rheinmetall ist der industrielle Multimillionär Grillo aus Duisburg-Hamborn. Und werden nicht die Panzerplatten für den Leopard 2  bei Thyssenkrupp in Duisburg-Hüttenheim gefertigt? Die Rüstungskonzerne müssen enteignet und auf zivile Produktion umgestellt werden!

Helfen wir mit, die Solidaritätsbewegung mit Rojava zu stärken!

RIR, Duisburg, 13.10.2019


- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -


Deutsche Waffen und türkische Truppen raus aus Afrin!

Seit dem 20. Januar greift die türkische Armee den kurdischen Kanton Afrin im Norden Syriens an. Erdogan will das revolutionäre, basisdemokratische Afrin zerschlagen. Deutschland leistet der Türkei politische und militärische Schützenhilfe.

Erdogan – der wichtigste Verbündete der Al-Qaeda in Syrien
Nach der Niederlage des Islamischen Staats durch die kurdischen YPG / YPG ist in der syrischen Provinz Idlib ein viel gefährlicherer Feind entstanden. Die Dschihadisten von Hay'at Tahrir al-Sham und der Turkistan Islamic Party haben einen Staat der Al-Qaeda aufgebaut. Ihr Nachschub rollt über die türkische Grenze. Erdogan will die korrupte und demoralisierte Freie Syrische Armee in Al-Bab mit der Al-Qaeda in Idlib verbinden. Dabei ist ihm Afrin im Weg.

Die mörderische Politik Deutschlands
Für den Angriff der türkischen Armee auf Afrin gab Deutschland grünes Licht. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Breul, erklärte am 19. Januar: „die Türkei (hat) legitime Sicherheitsinteressen entlang ihrer Grenze mit Syrien, welche für die Türkei von herausragender Bedeutung sind“. Dafür knüppelt die deutsche Polizei auch Demonstrationen gegen die Invasion in Afrin nieder. Die türkische Armee rückt mit deutschen Leopard-Panzern auf das revolutionäre, basisdemokratische Afrin vor. 700 Leopard verkaufte Deutschland an die Türkei. Gleichzeitig beliefert die Bundeswehr die Peschmergas des neoliberalen Feudalherrn Barzani mit Milan-Panzerabwehrraketen. Den größten Profit machen die Rüstungskapitalisten, wenn sie beide Seite beliefern. Steckt auch Stahl von Thyssenkrupp in den Leopard-Panzern?

Strategische Landbrücke, Öl- und Gasfelder
Für Russland und die USA geht es in Syrien und im Jemen um die Vormachtstellung im Nahen Osten. Dafür stützt Russland mit Hilfe des Iran das mörderische Assad-Regime. Erfolgreich schufen sie eine Landbrücke vom Iran, über den Irak, Syrien bis in den Libanon. Es gelang, die isolierte Türkei einzubeziehen. Dafür bekam Erdogan freie Hand gegen Afrin. Die russische Truppe, die in der Stadt Afrin stationiert war, zog ab. Die wichtigsten Verbündeten der USA sind Israel und Saudi-Arabien. Es war ein schwerer Schlag für die westlichen Großmächte, als der Islamische Staat die meisten und ergiebigsten Ölquellen in Syrien besetzte. Gegen den Islamischen Staat unterstützten Obama und Trump die kurdischen YPG/YPJ. Diese befreiten viele Gebiete vom Islamischen Staat und kontrollieren nun die wichtigsten Ölquellen in Syrien. Schlimmer konnte es für Erdogan nicht kommen. Dass ausgerechnet Rojava zum Ölproduzenten im Nahen Osten aufsteigen und sich darüber finanzieren könnte, wäre für die Türkei untragbar. Deshalb kündigte Erdogan an, die türkischen Streitkräfte bis zur irakischen Grenze zu schicken.

Diktatur gegen Basisdemokratie
In den letzten Jahren wurde in Rojava eine basisdemokratische Selbstverwaltung geschaffen, in der die Frauen gleichberechtigt, demokratische Rechte für unterdrückte Nationalitäten und religiöse Minderheiten, sowie soziale Rechte für alle gelten. Die Revolution begann von unten. Dagegen hat Erdogan den Putsch in der Türkei abgewehrt, um die Republik in seine eigene Diktatur zu verwandeln. Hunderttausende werden verfolgt, weil sie die „falschen“ Ansichten haben. Der bürgerliche Staatsapparat ist durch Erdogans Säuberungen geschwächt. Zahlreiche Oppositionelle werden nicht nur von Polizei, Militär, Geheimdiensten und Justiz verfolgt, sondern auch von bewaffneten Banden, die die AKP überall mobilisieren kann. Sie tun alles für ihren Anführer. Erdogans Diktatur trägt faschistische Züge. Die Diktatur Erdogans ist unvereinbar mit der revolutionären Basisdemokratie in Rojava. Die Diktatur Erdogans ist unvereinbar mit der Gleichberechtigung der Frauen, unvereinbar mit vollen demokratischen Rechten für unterdrückte Völker, für religiöse Minderheiten und unvereinbar mit sozialen Rechten für die ArbeiterInnenklasse und die Bauern. Und deshalb ist das ganze revolutionäre Rojava, sind Afrin, Kobane und Cizre von einem Angriff der türkischen Armee bedroht.



Mahnwache in Bottrop gegen den Angriff auf Afrin

Internationale Solidarität ausweiten!
Rojava gehört seit Jahren unsere Solidarität. Nur dort hat sich die Bewegung der Komitees in Syrien zu einem System verdichtet. Würde das Modell der basisdemokratischen Selbstverwaltung auf die Arbeiter der Ölindustrie ausgeweitet, könnte die weltweite Solidarität mit Rojava auf einen Schlag viele Aktive der Gewerkschafts- und ArbeiterInnenbewegung erreichen. Neue Solidaritätsprojekte in Rojava, Unterstützung für den dortigen Kampf, Aufbau von Solidaritätskomitees für Mobilisierungen gegen Erdogans Angriff auf Afrin – das ist internationale Solidarität.

Was lernen wir von Rojava?
Wir halten Rojava auch für nah genug, dass die linke sozialistische Bewegung im Ruhrgebiet z. B. für die Forderung nach Enteignung und Vergesellschaftung der Stahlindustrie von der basisdemokratischen Selbstverwaltung in Rojava lernen kann.


RIR, Duisburg 09.02.2018





- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -





„Wie in Fatsa, nur viel größer!“

Einen beeindruckenden Reisebericht aus dem befreiten Rojava – dem syrischen Teil Kurdistans – stellte Nick Brauns am 8. November im DGB-Haus in Duisburg vor. In Rojava haben Volksräte die Macht übernommen.

Geographisch bildet West-Kurdistan (übersetzt Rojava) nur einen schmalen Streifen entlang der syrisch/türkischen Grenze bis zum Irak. Das Assad-Regime hatte sich aus dem Großteil der Region zurückgezogen, die von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG übernommen wurden.

Eine Revolution von Frauen
Mindestens 40 % der Delegierten sind Frauen. Die gewählten Spitzenfunktionen sind doppelt besetzt. Männer, die Frauen schlagen, werden vor die Räte zitiert und müssen anschließend einen Vertrag unterschreiben, keine Gewalt mehr gegen Frauen auszuüben. Die Frauen verfügen über eigene bewaffnete Einheiten. Auch die Reise der Delegation aus Deutschland wurde von Frauen geschützt.

Gleichberechtigte Minderheiten
Die Lage der Minderheiten hat sich sehr verbessert. Die Mehrheit der KurdInnen sind Sunniten. Konfessionen wie Alawiten, Christen und Jesiden werden als gleichberechtigt angesehen. Wie sie sind auch die turkmenischen, assyrischen und arabischen Minderheiten in den Selbstverwaltungsstrukturen vertreten. Ihre Dörfer verwalten sich völlig eigenständig.

Drohender Einmarsch der Türkei
Schwierig ist dagegen die militärische Lage. Die Türkei hat die Grenzstationen gesperrt und zugemauert, während über andere Übergänge der Nachschub für Dschihadisten der ISIS und der Al-Nusra-Front rollt. Die Unterstützung durch die irakischen Kurden Barsanis ist sehr begrenzt. Zwar hat die YPG überall die Dschihadisten der ISIS und Al Nusra-Front zurückschlagen können, ist aber sowohl von einem Einmarsch der türkischen Armee wie auch von einem Wiedererstarken der Militärdiktatur Assads bedroht.

Internationale Solidarität
Rojava ist die Kornkammer Syriens. Außerdem liegen dort die Ölvorkommen des Landes. Trotzdem braucht das Land Hilfe von außen. Nick berichtete, dass die Delegation aus Deutschland nur nach großen Schwierigkeiten über die irakische Grenze nach Rojava reisen konnte. Gefragt ist die internationale Solidarität, die in Geld, Medikamenten, Solarzellen usw. bestehen kann. Besonders wichtig ist aber die politische Unterstützung d.h. Rojava überall bekannt zu machen.

Perspektive für die arabische Revolution
Durch den Vortrag Nicks wurde klar: die großen Errungenschaften in Rojava betreffen nicht nur die KurdInnen. Sie bieten eine emanzipatorische, kulturelle, feministische und revolutionäre Perspektive für ganz Syrien und für alle Länder, in denen die arabische Revolution zwischen Dschihadisten und Militärs in eine Sackgasse geraten ist. Oder wie es eine Genossin in der Diskussion ausdrückte: „Rojava ist wie in Fatsa, nur viel größer!“ (in der türkischen Kleinstadt am Schwarzen Meer hatte 1979 der linke Bürgermeister Fikri Sönmez / Dev Genc eine Selbstverwaltung initiiert, die auf Volksräten und Einwohnerversammlungen beruhte. Entwicklungen wie in Fatsa waren ein Anlass für den Militärputsch 1980). Im Anschluss an die Veranstaltung bildete sich ein Solidaritätskomitee mit Rojava.

Korrespondent.

- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -


Gezi-Park-Bewegung
Vorbotin zukünftiger Klassenkämpfe

Die Gezi-Park-Bewegung ist eine neue, eigenständige soziale Bewegung. Mit über 8000 Verletzten, mehreren Tausend Verhafteten, zwölf Erblindeten und vier Toten hat sie viele Opfer zu beklagen. Die Türkei bildet eine Brücke von Asien nach Europa und umgekehrt. Zwischen der arabischen Revoluti-on und den Protesten der europäischen ArbeiterInnenbewegung gegen die Kürzungen der Troika ist die Gezi-Park-Bewegung zum Kampf um demokratische Rechte und nicht um soziale Standards angetreten. „Wir wussten bisher gar nicht, dass die Türkei zu 'Arabien' gehört“, sagte ein Instanbuler Kommentator des Geschehens.

Drei Jahrzehnte Wirtschaftsaufschwung
Die Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft hat in den letzten sieben Jahren die Kräfteverhältnisse dras-tisch zu Gunsten Chinas verschoben. Das ökonomische Gewicht der USA nahm stark ab, das der EU ste-tig. Die im Vergleich zu den imperialistischen Blöcken kleine Türkei entwickelte sich entgegen dem euro-päischen Trend. Ausdruck ihres sei drei Jahrzehnten anhaltenden Wirtschaftsaufschwungs ist ihr wachsen-der Anteil an der Weltwirtschaft (von 1,2 % im Jahr 2007 auf 1,35 % 2012). Während sich seit 1980 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der BRD und in Frankreich vervier- und in Spanien verfünffachte, hat es sich in der Türkei verzehnfacht. Dort brachte die Periode von 1980-2000 prozentual die höchsten Wachs-tumsraten, als sich durch den Militärputsch 1980, der die ArbeiterInnenbewegung zerschlug, die Ausbeu-tungsrate erhöhte. Auch der Anstieg des BIP in der Periode Erdogans übertraf die Wachstumsraten der BRD, Frankreichs und Spaniens. Unter der neoliberalen Erdogan-Regierung stieg das Interesse ausländischer KapitalistInnen an Direktin-vestitionen in der Türkei sprunghaft an, die zu 80 Prozent aus der EU stammen, wobei das Kredit- und Finanzwesen den größten Sektor bildet. Noch im letzten April empfahlen Investmentbanken die Türkei als Paradies für KapitalanlagerInnen, die meinten, mit kurzfristigen Investitionen hohe Gewinne einstreichen zu können.

Doch die wirtschaftlichen Widersprüche häufen sich und können ebenso plötzlich aufbrechen wie die politischen. Das Leistungsbilanzdefizit der Türkei stieg von 15,5 Milliarden Dollar im Jahr 2002 auf 105,9 Milliarden Dollar im Jahr 2011. Zwischen 2006-2010 wuchsen die Kreditvergaben jährlich um fast 20 Prozent. Der Konsum stieg wie-derum schneller als das Wirtschaftswachstum, die Sparquote fiel in den letzten sieben Jahren um 7 Prozent. Während in Griechenland seit 2007 durch die schwere Krise immer größere Schichten des Kleinbür-gertums und der ArbeiterInnenklasse aus dem Wirtschaftsprozess ausgeschlossen wurden und ver-armten, hat in der Türkei während des lang anhaltenden Wirtschaftswachstum die ArbeiterInnenklas-se neue Kräfte schöpfen können und ihr das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden. Das führte noch nicht zu umfangreichen offenen Klassenkämpfen, kann sich doch die Bourgeoisie auf den Kemalismus stützen, der erhebliche Teile der ArbeiterInnenklasse im Zaum hält. Die Gezi-Park-Bewegung hat nicht nur die Immobilienspekulanten in Istanbul aufgeschreckt, sondern auch das Vertrauen des Kapitals in eine „friedliche Zukunft“ ohne Klassenkämpfe erschüttert. Der In-dex der Istanbuler Börse fiel um 10 Prozent. Die Investoren verkauften Rententitel. Die Zinsen für türkische Staatsanleihen stiegen. Die türkische Lira verlor an Wert.



Artikel Download: Gezi-Park-Bewegung

- Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet -


Eine Ukraine wie die Schweiz
Viele Lohnabhängige in Deutschland und anderswo fürchten zurecht die wachsende Kriegsgefahr in der Ukraine. Die Angst wird von einem Wirbel der bürgerlichen Medien und PolitikerInnen angefacht, die wie US-Präsident Biden von einem unmittelbar bevorstehenden russischen Angriff schwätzen.
Die Ukraine-Politik Deutschlands, der EU, der USA und Russlands ist von Einmischung, diplomatischen Winkelzügen, offener Gewalt geprägt. Deutschland möchte seine Wirtschaftsbeziehungen zu Russland nicht gefährden. Die USA will den russischen Einfluss aggressiv zurückdrängen, hofft Russland letztendlich auflösen und kolonialisieren zu können. Russland will jedoch seinen östlichen Einflussbereich nicht kampflos aufgeben.
Die rechtsradikale ukrainische Regierung setzt auf westliche Waffenlieferungen und NATO-Truppen, sofortige Sanktionen gegen Russland wie dessen Hinauswurf aus dem  internationalen Zahlungssystem Swift und die Verhinderung der Gaspipeline Nord Stream 2. Die Kriegstreiber sitzen auch in Kiew.
Die vom Westen gepredigte „Souveränität und Unverletztbarkeit der Grenzen“ der Ukraine bedeutet: militärische Rückeroberung der Gebiete Luhansk und Donezk, in der die russische Minderheit in der Mehrheit ist. Dafür wird die Ukraine von den NATO-Staaten aufgerüstet.
Obwohl die USA und die EU nach 1989 von einem friedlichen Zusammenleben mit Russland gesprochen hatten, dehnten sie ihren Einfluss immer weiter nach Osten aus. Deutschland setzt auf die Ostererweiterung der EU, die USA auf die der NATO. Ältere Lohnabhängige hatten von Anfang an die Befürchtung, dass die vergangene Systemkonkurrenz zwischen Kapitalismus und nicht-kapitalistischer Sowjetunion nur einer frischen Konkurrenz zwischen alten imperialistischen Staaten und den neuen imperialistischen Wettbewerbern Russland und China Platz machen wird. Da stehen wir heute. Selbst Litauen hat einen Privatkrieg mit China über Taiwan vom Zaun gebrochen.
Indem die westlichen Großmächte die Ukraine auf ihre Seite zogen, haben sie sich auf allen Ebenen in die Belange einer selbstständigen Ukraine eingemischt. Die sog. ´Unabhängigkeit der Ukraine` ist nur eine neue Form der Abhängigkeit – die vom westlichen, neoliberalen Kapitalismus.
Jede Form der Gewalt und jede der massiven Waffenlieferungen an die Ukraine ist zur Lösung eines Konfliktes ungeeignet.
Das Recht auf Selbstbestimmung
Wer dem ukrainischen Volk als einer vormals unterdrückten Nationalität das Recht auf Lostrennung von Russland einräumt, verfällt nur dann nicht in Zynismus, wenn er das gleiche Recht auf Lostrennung auch jeder anderen nationalen Minderheit innerhalb der Ukraine zuerkennt: den RussInnen, den UngarInnen, den RumänInnen usw. Die sog. ´Verteidigung der Souveränität` der Ukraine durch Deutschland, die EU und die USA tritt das Selbstbestimmungsrecht der dortigen nationalen Minderheiten mit Füßen.
Als MarxistInnen treten wir für das Selbstbestimmungsrecht der nationalen Minderheiten ein bis hin zum Recht auf Lostrennung. Diese Minderheiten sollen allein darüber bestimmen, ob sie im ukrainischen Staat verbleiben oder ob sie sich abspalten wollen. Der westliche Imperialismus verteidigt dagegen die Unantastbarkeit der Grenzen der Ukraine vom Zeitpunkt ihrer Unabhängigkeit. Doch eine Föderation auf freiwilliger Grundlage z.B. der Krim mit der Ukraine ist ohne das Recht auf Selbstbestimmung bis hin zur Lostrennung nicht möglich.
Es ist natürlich keine positive Lösung, würde sich jede noch so kleine Minderheit einen eigenen Staat geben. Unser Modell ist das einer umfassenden Autonomie der nationalen Minderheiten in einem bestehenden Staat, die sich selbst verwalten, ihre eigenen Institutionen allgemein, gleich und geheim wählen und deren Rechte gesetzlich geschützt sind. Dafür braucht es keineswegs den Sozialismus, sondern eine solche Lösung ist auch innerhalb des Kapitalismus möglich. Das ist etwa das Modell der neutralen Schweiz.
Die Einheit der ArbeiterInnenklasse
Für uns steht die nationale Frage nicht über dem Klassenkampf. Vor dem bürgerlich-demokratischen Recht auf Selbstbestimmung der unterdrückten Nationalitäten zählt die politische Selbstständigkeit der ArbeiterInnenklasse innerhalb einer Nation. Sie beinhaltet die Einheit aller ArbeiterInnen jeder Nationalität innerhalb eines Landes im Kampf für ihre Klasseninteressen.
Die Ukraine hat im Donbass eine bedeutende ArbeiterInnenklasse mit einer großen internationalen Tradition, die heute auf beide Seiten der Waffenstillstandsgrenze aufgeteilt ist. Wir treten für die Vereinigung aller ArbeiterInnen über die Grenzen hinweg ein.
Dieser Schulterschluss ist nur vorstellbar, wenn z.B. die Mehrheit der ukrainischen StahlarbeiterInnen auf der Kiewer Seite das Recht der russischen Minderheit in der Ostukraine auf Selbstbestimmung bis hin zur Lostrennung anerkennt. Umgekehrt sind gemeinsame Organisationen nur denkbar, wenn z.B. die Mehrheit der russischen StahlarbeiterInnen in Donezk den Zusammenschluss mit ihren ukrainischen KollegInnen auf der anderen Seite der Grenze fordert, statt dem Separatismus nachzulaufen. Die ArbeiterInnen können nur dann ihre jeweilige politische Unabhängigkeit bewahren, wenn sie einen von der ukrainischen bzw. russischen Bourgeoisie entgegengesetzten Standpunkt einnehmen.
In der BRD ist und bleibt es die Aufgabe der ArbeiterInnenklasse, alle Interessen und Machenschaften der Regierung SPD-Grüne-FDP zu denunzieren, die Öl in das ukrainische Feuer gießen.

Boykottiert aller Waffenlieferungen in die Ukraine!
BRD raus aus der NATO! NATO raus aus der BRD!
ProletarierInnen aller Länder vereinigt euch!

RIR, 14.02.2022


Welche Haltung zu den Ereignissen in der Ukraine?

Niemand in der ArbeiterInnen- und linken Bewegung der BRD kommt um eine Positionierung zu den Ereignissen in der Ukraine herum. Sie fällt um so schwerer, je weiter mensch vom Geschehen entfernt ist und die dortigen Sprachen nicht spricht.

Am 2. Mai 2014 wurden in Odessa über vierzig Menschen durch einen rechten, nationalistischen und faschistischen Mob ermordet, die das Gewerkschaftshaus angriffen und abbrannten. Die Polizei griff nicht ein. Der Gouverneur Odessas nahm die Mörder in Schutz. Alle Ermordeten waren Bürger Odessas. Die Überlebenden des Massakers wurden nach ihrer Rettung verhaftet und sitzen noch immer im Gefängnis. Von den Mördern wurde niemand verhaftet und angeklagt. Die Morde von Odessa zeigen deutlich, wie sich die Ereignisse in der Ukraine zugespitzt haben und gegen wen sie sich richten. Es gibt nicht nur einen Bürgerkrieg gegen die nationale Minderheit der RussInnen, sondern auch einen Krieg gegen die Linke und die ArbeiterInnenbewegung.

Wogegen protestierte die Maidan-Bewegung?
Es ist nicht immer einfach, eine Massenbewegung wie die des Maidan richtig einzuschätzen. Mit bis zu einer 1 Million TeilnehmerInnen war sie zunächst sehr vielfältig und umfasste linke, rechte und unorganisierte Menschen. Die Rechten und Faschisten waren anfangs eine kleine, doch gut organisierte Minderheit. Ungehindert konnte ein großes Bild des Faschisten Bandera neben der Bühne hängen. Aus dem herrschenden Blick hiesiger Medien gingen die Protestierenden für das Assoziierungsabkommen mit der EU auf die Straße, dem die Regierung Janukowytsch im Wege stand. Das ist noch heute die Sicht vieler Linker. Im Bewusstsein vieler dortiger TeilnehmerInnen richteten sich die Proteste jedoch vor allem gegen „die Oligarchen“. Der „Kompromiss“ vom 21. Februar führte zu einem drastischen Rückgang der Maidan-Bewegung von mehreren hunderttausend bzw. zeitweise 1 Million Menschen auf ein paar Zehntausend. Was übrig blieb, war der rechte Flügel der Maidan-Proteste, die faschistischen und nationalistischen Kräfte der Massenbewegung, die am 22. Februar zur Machterübernahme aufriefen – und damit Erfolg hatten.

Eine „politische Revolution“ von rechts?
Eines der wichtigsten Ergebnisse des 22. Februar war, dass er den Oligarchen nicht weniger, sondern mehr Einfluss gab: Serhij Taruta, 2,7 Milliarden US$ schwer, wurde Gouverneur im Oblast Donezk; Igor Kolomojsky, mit einem Vermögen von ca. 5 Mrd. US$, wurde Gouverneur im Oblast Dnepropetrowsk. Während in den hiesigen bürgerlichen Medien, die DemonstrantInnen „erfolgreich“ waren, weil jetzt das Assoziierungsabkommen mit der EU erneuert wurde, ist das genaue Gegenteil von ihrem ursprünglichen Anliegen – die Macht der Oligarchen einzuschränken oder zu brechen – erreicht worden. Die rechten, nationalistischen und faschistischen Parteien sind die Speerspitze der Reaktion und sitzen in der Regierung. Die linken Organisationen wurden in die Illegalität gedrängt. Dies gilt nicht nur für die Westukraine, wo die Büros der Kommunistischen Partei von Faschisten besetzt und verwüstet wurden, sondern auch für Charkow, wo die antikapitalistische Organisation Borotba nach einer Attacke auf ihr Hauptquartier in den Untergrund gehen musste. Vor allem der Angriff auf das Gewerkschaftshaus in Odessa und die Ermordung von Dutzenden und Aberdutzenden Menschen, manche sprechen von weiteren 60 Ermordeten, zeigt, wie die Lage der ArbeiterInnenbewegung ist. Der bürgerliche Parlamentarismus bietet der ArbeiterInnenbewegung gegenüber anderen bürgerlichen Staatsformen (Militärdiktatur, Faschismus usw.) den Vorteil legaler proletarischer Stützpunkte (ArbeiterInnenparteien, Gewerkschaften, linke Zeitungen und Verlage, Genossenschaften, ArbeiterInnen- Kultur- und Sportvereine usw.). Wenn diese Stützpunkte der ArbeiterInnenbewegung innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft durch ein neues Regime zerschlagen werden (Illegalität der linken Organisationen, Zerstörung des Gewerkschaftshauses in Odessa und Ermordung von GewerkschafterInnen und Linken; gewaltsame Unterdrückung von nationalen Minderheiten), dann hat anscheinend eine „politische Revolution“ stattgefunden, die mit einer Konterrevolution verdammt viel Ähnlichkeit hat, und die eine neue, andere Staatsform geschaffen hat. Der Bürgerkrieg wird von Seiten der Kiewer Zentralregierung nicht nur gegen den „Separatismus“ in der Süd- und Ostukraine geführt, sondern auch als Krieg gegen die ArbeiterInnenklasse und ihre Organisationen.

Wie RSB , isl und NAO die Ereignisse einschätzen
Einen Bruch in der Bewegung des Maidan um und nach den Ereignissen vom 21./22. Februar sehen weder der RSB noch Angela Klein (isl). Der RSB erklärte am 27.4.: „Ohne Zweifel ist die Maidan-Bewegung sehr heterogen und in der zugespitzten Konfrontation, die zum Machtwechsel führte, konnten sich rechte nationalistische und faschistische Kräfte (die Partei Swoboda und vor allem der offen faschistisch auftretende Rechte Sektor) weiter aufbauen und gewisse Machtpositionen erringen. Aber sie sind nicht repräsentativ für die gesamte Maidan-Bewegung (…) Aus dieser Perspektive sind die Maidan-Proteste, einschließlich ihrer militanten Spitzen, Ausdruck einer allgemeinen, globalen Bewegung gegen die Ausplünderung lokaler Bevölkerungen durch das internationale Kapital“. Die „militanten Spitzen“ der Maidan-Bewegung – waren das nicht die Faschisten / Banderisten? – werden hier zum „Ausdruck einer allgemeinen, globalen Bewegung gegen“ „Ausplünderung“. Angela Klein schrieb in der SOZ vom April 2014: „Politisch hat den Maidan niemand kontrolliert (…) Falsch wird es nur da, wo der politische Einfluss der Faschisten überhöht wird (real messen kann man ihn nicht an der Zahl ihrer derzeitigen Minister in der Übergangsregierung; real messen kann man ihn nur nach den kommenden Wahlen)“ 1 . Um den faschistischen Einfluss zu messen, müssen nicht der Bürgerkrieg, die zerstörten Büros der KPU und von Borotba usw. herhalten, sondern … Wahlen! Der Wechsel in der Ukraine zu einem anderen Regime wird nicht wahr genommen. Noch weniger hat ihn die IV. Internationale verstanden. In ihrer Erklärung vom 25.2.2014 heißt es: „Eine Woche der blutigen Gewalt hat dazu geführt, dass sich der Standpunkt der Protestierenden durchsetzte und die Forderung nach sofortigem Rücktritt von Präsident Janukowytsch erfüllt werden musste. Er wurde nicht durch einen ́Staatsstreich` gestürzt“. Genau das ist jedoch passiert: Die Faschisten und Nationalisten und der von ihnen kontrollierte rechte Flügel der Maidan-Bewegung riefen am 22. Februar erfolgreich zum Staatsstreich auf, sie bekamen maßgeblichen Einfluss auf die neue Regierung, sie verschafften den Oligarchen noch mehr Macht, sie drängten die Linken und die Gewerkschaften durch Verfolgung bis zum Massenmord in die Illegalität und sie stürzten das Land in einen Bürgerkrieg. Das soll kein „Staatsstreich“ gewesen sein? Hat sich etwa nur der „ Standpunkt der Protestierenden“ durchgesetzt? Solche Fehleinschätzungen der Ereignisse begeht die NAO nicht. Sie hält richtig fest: „Die ́Revolution in der Ukraine` entpuppt sich als reaktionärer Putsch (…) Die ersten Opfer sind schon heute die Arbeiterklasse und die Linke in der Ukraine“!

Das polnische Beispiel von 1926
Der RSB sagt „Nein zum Lagerdenken“, Gen. Angela argumentiert gegen den „Standpunkt des antifaschistischen Kampfes“, die die Mehrheit der Linken in der BRD auf die Seiten Putins treibe. Die Kritik mag richtig sein. Doch unabhängig vom „Lagerdenken“ ist längst nicht jede Massen-Bewegung unterstützenswert. Eine politische Fehleinschätzung kann jemand leicht ungewollt ins falsche „Lager“ treiben, selbst dann, wenn sie versucht, von einer klassenmäßigen Analyse der Bewegung auszugehen (was weder RSB, noch A.K., noch Inprekorr leisten). Als Beispiel für die katastrophale Fehleinschätzung einer Massenbewegung sei hier der Militärputsch bzw. die „Bewegung“ von Marschall Piłsudski 1926 in Polen gegen die reaktionäre Regierung Witos angeführt: Nachdem sich ein Teil der polnischen Truppen unter das Kommando Piłsudskis gestellt hatte, kam es im Mai 1926 zu tagelangen Kämpfen mit regierungstreuen Einheiten. Den Ausschlag gab, dass Piłsudskis PPS zum Generalstreik aufrief, den die ArbeiterInnenbewegung befolgte. Witos trat zurück und Piłsudski & Co. übernahmen die Macht. Auch die Kommunistische Partei Polens hatte sich gegen die Regierung Witos gestellt und den Generalstreik befürwortet. Der KPP-Leiter Warski erschien im Hauptquartier Piłsudski, um ihm seine Unterstützung zu versichern. Im damaligen Polen baute die „soziale Bewegung“ nicht nur auf das Kleinbürgertum, sondern vor allem auf die ArbeiterInnenklasse und den Generalstreik. „Der Arbeiterklasse und ihren Parteien kam es so vor, als wäre das der Anfang der ökonomischen und sozialen Expropriation“ (Isaac Deutscher). Warski sah in Piłsudskis Putsch den Beginn der „revolutionär-demokratischen Diktatur“. Die KPD-Führung um Thälmann begrüßte den Sturz der Regierung Witos, die die Großbourgeoisie repräsentiere, durch Piłsudski, der für die Kleinbourgeoisie stehe. Die oppositionellen linken Kommunisten in der KPD wandten sich vehement gegen diese katastrophale Taktik. Trotzki verglich die Bewegung Piłsudskis sogar mit der Mussolinis: „Beide Strömungen haben unzweifelhaft gemeinsame Züge: ihre Stoßtruppen rekrutieren sich aus dem Kleinbürgertum; Piłsudski wie Mussolini arbeiten mit außerparlamentarischen, offen gewalttätigen Mitteln, mit den Methoden des Bürgerkrieg; beide waren nicht um den Sturz, sondern um die Rettung der bürgerlichen Gesellschaft bemüht. Während sie das Kleinbürgertum auf die Beine gebracht hatten, vereinigten sie sich nach der Machteroberung offen mit der Großbourgeoisie“ 2 . Über den „Maifehler“ sagte I. Deutscher: „Aber es gibt Fehler, die in ein paar Tagen, oder sogar in ein paar Stunden begangen werden, und die man nicht in Jahrzehnten wiedergutmachen kann. Der Maifehler war genau von dieser Sorte“ 3 . So einfach ist die Einschätzung einer Massen-Bewegung, selbst wenn es sich um den erfolgreichen Generalstreik fast der gesamten ArbeiterInnenklasse handelt, also nicht. In der heutigen Ukraine wurde eine bürgerliche, reaktionäre Regierung durch eine Bewegung gestürzt, die eine noch reaktionärere Regierung mit faschistischer Beteiligung an die Macht brachte. Wir kontrovers auch immer die Einschätzung der ursprünglichen Maidan-Bewegung war und ist – aus ihr ist längst eine andere, reaktionäre, nationalistische Bewegung hervorgegangen. Ein Flügel der Massen-Bewegung unterstützt unter Kontrolle der Faschisten den Bürgerkrieg in der Ost-Ukraine und führt einen Krieg gegen die ArbeiterInnenbewegung.

Welche Taktik zur Bewegung des Maidan?
Gerade weil die Maidan-Bewegung sozial und politisch so heterogen und vielfältig war, konnten die kampfbereitesten, aktivsten und am straffsten organisierten Elemente, die Nationalisten und Faschisten, eine so große Rolle in ihr spielen. Den Wechsel der Ereignisse vom 21./22. Februar, den RSB, isl und IV. Internationale nicht begreifen, versteht die NAO-Mehrheit ebenfalls nicht. Überschätzen die Einen die Heterogenität, Unabhängigkeit und Spontanität der Massenbewegung und unterschätzen die Einflussnahme der Rechten, Nationalisten, Faschisten und Banderisten auf dem Maidan, sowie die tausend Fäden aus der EU und den USA zur Bewegung, so sieht die Mehrheit der NAO die Massen-Bewegung des Maidan von Anfang an als reaktionär an. Demnach „(stand) die Oppositionsbewegung um ´Euromaidan` ihrerseits von Beginn an im Zeichen der ´prowestlichen` Oligarchen. Sie war nie eine fortschrittliche Bewegung (…)“ und „von Beginn“ „ukrainisch-nationalistisch“. Es protestierten also bis zu eine 1 Million Menschen, viele davon gegen die Oligarchen, aber die Bewegung stand „im Zeichen“ der Oligarchen? Wie passt das zusammen? Sicherlich haben Oligarchen die Maidan-Bewegung mitfinanziert. Aber ist es für RevolutionärInnen und Anti-KapitalistInnen nicht auch wichtig, was die Motive von Hunderttausenden Demonstrierenden vor dem 22.2. waren? Die NAO bezieht im Unterschied zu RSB, isl und IV. Internationale eine grundlegend richtige Haltung zu den Ereignissen am 22. Februar, verlängert den Einfluss der Rechten und Faschisten allerdings so weit nach vorn, dass die Massenbewegung des Maidan „von Beginn an“ reaktionär und nationalistisch war (war sie auch „von Beginn an“ faschistisch? so weit geht die NAO dann doch nicht). Die Schlussfolgerung der NAO-Mehrheit kann nur lauten, dass es von Anfang an falsch gewesen sei, in der Massenbewegung des Maidan mitzuarbeiten. Das Gegenteil meint die IV. Internationale: „(Wir) unterstützen die sozialen und politischen Kräfte, die versucht haben, innerhalb dieser Bewegung eine linke Opposition aufzubauen. Sie haben es abgelehnt, außerhalb der Bewegung zu bleiben oder sie mit der extremen Rechten gleichzusetzen“ (Erklärung zur Ukraine, IK der IV. Internationale). Die Taktik der antikapitalistischen und revolutionären Linken in der Ukraine war differenzierter: Borotba soll sich zu Beginn der Massenbewegung am Maidan beteiligt haben, während Sergej Kiritschuk auf Nachfragen meint, dass es nur AktivistInnen von Borotba im Rahmen von unabhängigen Gewerkschaften waren. Sie haben die Bewegung nach Angriffen der Rechten und Faschisten verlassen; Die „Linke Opposition“ (GASLO) ist auf dem Maidan für ein „solidarisches Europa“ aufgetreten, wurde aber von den Faschisten vertrieben. Sie hat trotzdem versucht, in der Bewegung des Maidan illegal mitzuwirken. Sowohl die eine wie die andere Taktik mag richtig gewesen zu sein, wobei bei der Beurteilung der „richtigen Taktik“ aus der Ferne vor allem Zurückhaltung angebracht ist. Falsch ist es jedoch, noch Wochen nach dem 22. Februar von der Notwendigkeit der Mitarbeit in der Maidan-Bewegung zu reden.

Einfluss von EU und USA
Wer den Bruch vom 21./22. Februar nicht versteht, kann auch in Bezug auf die EU und die BRD zu falschen Einschätzungen kommen. Der rechte Flügel der Maidan-Bewegung unter Kontrolle der Faschisten, Nationalisten und Banderisten, war es, der am 22. Februar putschte. Das war nicht das Werk der EU unter Steinmeier. Vielmehr wurde damit die Vereinbarung, die sie am 21. Februar mit Janukowytsch und Teilen der offiziellen Opposition ausgehandelt hatten, über den Haufen geworfen. Erst danach haben sie die Tatsachen und die neue Regierung anerkannt. Die NAO-Mehrheit sieht jedoch in der Politik der EU und der BRD eine widerspruchslose, gezielte Strategie: „Die EU-Mächte – u.a. Deutschland – hingegen forcieren die Integration der Ukraine in ihre Einflussspähre“ und „Um ihre jeweilige Position durchzusetzen, setzen Russland und Deutschland/EU zur Zeit auf Verschärfung der Konfrontation“. Warum sollte die EU erst am 21.2. für einen Kompromiss zwischen bürgerlicher Opposition und Janukowytsch sorgen, um dann einen Tag später den Putsch zu bewerkstelligen? Die EU kann schon deshalb kein Interesse daran haben, „die Integration der Ukraine in ihre Einflusssphäre (zu) forcieren“, weil diese nicht einfach auf parlamentarischem Wege zu haben ist. Wer meint, dass die EU den Bürgerkrieg in der Ukraine will oder die dt. Unternehmerverbände ihn wollen, liegt daneben. Entweder die Rechten, Nationalisten, Faschisten und Banderisten haben eigenständig, vom rechten Flügel der Maidan-Bewegung aus, den Staatsstreich initiiert oder sie wurden dabei von den USA unterstützt, um eine friedlich-parlamentarische „Integration der Ukraine“ in die EU zu torpedieren. Doch Illusionen über die Interessen der USA und der EU sind fehl am Platz. Wer früher glaubte, mit dem Zusammenbruch des Stalinismus sei die Konfrontation West – Ost beendet, weil die Systemkonkurrenz weggefallen sei, wird durch die Kämpfe in der Ukraine eines Besseren belehrt. Auch dürfte die Debatte darüber, ob sich die marxistische Kritik nicht gegen den „Kapitalismus“, statt nur gegen den „Neoliberalismus“ richten müsste, neuen Auftrieb erhalten. Denn US- und EU-Imperialismus beschränkten sich nicht auf die Bekämpfung der bürokratisierten, nicht-kapitalistischen Übergangsgesellschaften. Sie bekämpfen auch jede kapitalistische Großmacht, deren Modell nicht dem des neoliberalen Kapitalismus entspricht. Der permanente Kampf von EU und USA – mal durch offene Konfrontation, mal auf dem Weg integrativer Auflösungsversuche – wird erst beendet sein, wenn China und Russland zerschlagen bzw. übernommen worden sind. Darüber sollte es nach den Ereignissen in der Ukraine keine Zweifel mehr geben. Trotzdem schafft es die Inprekorr, die Vorbereitung und Unterstützung von USA und EU für die Ereignisse des Maidan zu ignorieren 4 , obwohl die USA bekanntlich über 5 Mrd. US$ in die Pflege der politischen Landschaft pumpte. Auch überzeugt es nicht ganz, wenn „Konflikte zwischen den Oligarchen“ (RSB) oder Gegensätze der einen zu „einer anderen, pro-westlichen Oligarchenclique“ aufgemacht werden. Das Einfrieren russischer Vermögen im Ausland hat allen Oligarchen der Ukraine gezeigt, wo der Hammer hängt. Die Drohung mit der Enteignung zieht auch dann, wenn sie vom Imperialismus erfolgt.

„Trennung von Arbeiterklasse und Sozialismus“
Es fällt auf, dass die genannten Texte von Angela Klein, des RSB und der IV. Internationale kaum oder gar keinen Bezug auf die ArbeiterInnenklasse in der Ukraine nehmen. Das liegt nicht etwa daran, dass es in der Ukraine keine ArbeiterInnenklasse geben würde. Eigentlich ist sie mit 15 Mio. Lohnabhängigen und der Bedeutung der Schwerindustrie im Osten der Ukraine nicht zu übersehen. Immerhin stand die Ukraine 2012 in der Welt-Stahlproduktion an zehnter Stelle, in der Welt-Eisenerzföderung 2011 an sechster Stelle und bei der Welt-Steinkohleförderung 2009 an elfter Stelle. Der Bezug zu ihr fehlt, weil sich die ArbeiterInnenklasse politisch eigenständig weder in der Ukraine noch in der BRD regt. Die Ausnahme der Proteste von ein paar Hundert Bergleuten in Kriwoi Rog am 11. Mai bestätigen nur die Regel. Dem gegenüber bleibt festzuhalten: Die einzige gesellschaftliche Kraft in der Ukraine, die eine emanzipatorische Lösung der sozialen und nationalen Probleme der Gesellschaft durchsetzen könnte, ist die ArbeiterInnenklasse. Das ist unser „Lager“! Wer deshalb, weil die ArbeiterInnenklasse in der Ukraine sich wenig regt, auf andere Akteure abhebt, wird zu falschen Schlussfolgerungen neigen: Die politische Überschätzung der Bewegung des Maidan ist eine davon; die Überschätzung der Möglichkeiten der linken Organisationen und der Bewegung in der Ost-Ukraine eine andere. So wird in der Erklärung der NAO der Einfluss der Organisation Borotba stark übertrieben: „Die Aktivität von Organisationen wie Borotba (…) zeigt, dass es eine Alternative gibt zu den konkurrierenden Oligarchen, ihren Parteien und ihren Herrschaftsansprüchen (…) zwischen den beiden Lagern konkurrierender Nationalisten (…) zu Moskau, Berlin und Washington“. Zu wünschen wäre es ja, dass Borotba für die Ukraine eine „Alternative“ wäre wie z.B. die PYD in Rojava für Syrien. Doch leider scheint Borotba eher eine „Alternative“ zu sein wie die hiesige revolutionäre Linke für die BRD. Gleichzeitig meint die NAO-Erklärung: „Wo im Osten Rathäuser gestürmt werden und Massenerhebungen stattfinden, müssen auf dieser Basis demokratische Räte gebildet werden, die die Bewegung leiten und bewaffnete Selbstverteidigungseinheiten aufbauen“. Sicherlich ist es eine Frage der bloßen Existenz der Gewerkschaftsbewegung und der Linken, sich gegen Übergriffe der Faschisten zu verteidigen und entsprechende Strukturen zu bilden. Nur wie passt diese Situation der Illegalität und der völligen Defensive mit „Massenerhebungen“ und dem Aufruf zur Bildung von Räten zusammen? In der Ukraine finden wir ein klassisches Beispiel für die Trennung von „Arbeiterklasse und Sozialismus“, um auf einen Begriff Kautskys und Lenins zurückzugreifen, d.h. der Trennung der sozialistischen, revolutionären Organisationen von der real existierenden Arbeiterbewegung (die auch auf die BRD zutrifft). Eine solche Trennung begünstigt leider eine Sichtweise, dass manche MarxistInnen sich nicht mehr auf die „ArbeiterInnenklasse“, sondern auf die „soziale Bewegung“ oder gar nur auf die linken Organisationen beziehen – ob in der BRD oder in der Ukraine. Die Bezugnahme auf die ArbeiterInnenklasse ergibt aber nur dann einen Sinn, wenn sie mit der Perspektive einer sozialistischen Ukraine verbunden ist. Ohne sozialistische Perspektive, wie auch immer formuliert und konkretisiert, bleibt alles Schall und Rauch. Diese Perspektive in der Ukraine aufrechtzuerhalten, ist ein Verdienst der linken Organisation Borotba. Für den russischen Revolutionär Leo Trotzki konnte im Zeitalter des Imperialismus die „ukrainische Frage“ nur durch die Arbeiterklasse gelöst werden. Mit dem gesellschaftlichen Akteur verband er das Ziel eines anderen Gesellschaftssystems. Für Trotzki konnte nur eine vereinigte, sozialistische Ukraine die verschiedenen dort lebenden Nationalitäten befreien und ihr gleichberechtigtes Zusammenleben garantieren. Wie heute eine solche sozialistische Perspektive zu konkretisieren ist, um von der ArbeiterInnenklasse aufgegriffen zu werden, wird sich zukünftig zeigen. Im Unterschied zu den Texten von Angela Klein, RSB und IV. Internationale übersieht die Erklärung der isl vom 10.5.2014 die Bedeutung der ArbeiterInnenklasse der (Ost-)Ukraine nicht, begrenzt ihr Aufgaben jedoch auf demokratische und soziale Verbesserungen. Die Bekämpfung des Nationalismus obliege „eine(r) soziale(n) Bewegung“ und die des Faschismus „eine(r) landesweite(n) antifaschistische(n) Bewegung“. Die isl schlägt der ArbeiterInnenbewegung der Ukraine ein komplettes Programm vor. Das muss im Zeichen des Internationalismus und der notwendigen internationalen Diskussion ja nicht falsch sein. Einige Forderungen, d.h. die der Linken Opposition in der Ukraine, sind durchaus beachtenswert. Dass ein Kernpunkt des Programms der isl ausgerechnet für die Ukraine wegen „ihr(es) natürliche(n) Reichtum(s)“ „einen eigenständigen Entwicklungspfad“ sieht, als „wirtschaftlich und außenpolitisch unabhängiges Land“ mit „Neutralität“ zwischen den imperialistischen Großmächten verwundert jedoch für GenossInnen, die oft genug erklärt haben, dass die Theorie vom „Sozialismus in einem Land“ im Kern nationalistisch ist. Dem isl-Programm für die Ukraine fehlt jede sozialistische Vision, obwohl bekanntermaßen eine Organisation wie Borotba selbst unter den schwierigen Bedingungen der Illegalität eine sozialistische Perspektive propagiert. Der isl nach soll sich die ArbeiterInnenbewegung der Ukraine zunächst für eine neutrale, einheitliche, demokratische, soziale und ökologische Ukraine einsetzen; kapitalistisch, aber ohne Oligarchen und ausländisches Kapital. Selten wurde ein Etappenmodell eindeutiger formuliert. „Eine zentrale Voraussetzung“ zur Schaffung des entsprechenden „wirtschaftlichen Unterbau(s)“ der Ukraine sieht die isl in der „Abkehr der fossilen Wirtschaft“. Während die GenossInnen der Linken Opposition auf Aktionen der Bergarbeiter in Kriwoj Rog erklären, die „internationale linke Bewegung sei bereit, die Bergleute zu unterstützen“ (SOZ Juni 2014, S. 17), fordert zur gleichen Zeit die isl auf, die Zechen in der Ukraine zu schließen. Eine Unterstützung hat sich GASLO sicherlich anders vorgestellt.

„Soziale“ oder „nationale Frage“?
Wie unterschiedlich auch immer die Entwicklung in der Ukraine eingeschätzt wird, über eines dürfte weitgehend Einigkeit herrschen: In der Westukraine sind viele Menschen gegen jeden Einfluss Russlands; in der Ostukraine fürchten viele Menschen die Faschisten, Nationalisten, Banderisten und den Ausverkauf an die USA und die EU. Beide Seiten flüchten in den Nationalismus: In der Westukraine ist es der Nationalismus der Swoboda, des Rechten Sektors d.h. der Banderisten; in der Ostukraine ist es der separatistische bürgerliche Nationalismus z.B. in der angeblichen „Volksrepublik Donezk“. Finden westukrainische Nationalisten ihre Verbündeten in den USA und der EU, so suchen die ostukrainischen Nationalisten ihn in Putins Russland, das seine eigenen imperialen Interessen durchzusetzen versucht. Zwar wurde der nationalistische Rummel durch die Oligarchen gefördert, um die sozialen Forderungen in den Hintergrund zu drängen. Doch die „nationale Frage“ in der Ukraine kann nicht ignoriert werden, indem z.B. auf die Wichtigkeit der sozialen Frage verwiesen wird 5 . Auch Gen. Angela meint, dass die soziale Frage in den Mittelpunkt gehört. So sieht es auch die isl, die in ihrer Erklärung nicht zwischen den nationalen Unterdrückern und den nationalen Unterdrückten unterscheidet. Auch der RSB setzt auf „das Herausarbeiten der sozialen Frage“. Doch leider „(lauert) der Nationalismus unterschiedlicher Ausprägung hinter jeder Ecke der komplexen Konflikte und Widersprüche in der heutigen Ukraine“ 6 . Auf eine politische Orientierung in der nationalen Frage wartet mensch vergeblich.

Die „nationale Frage“
Ein Prinzip des revolutionären Marxismus leninscher Prägung in der nationalen Frage ist die völlige Gleichberechtigung aller Nationalitäten. Davon kann heute in der Ukraine keine Rede sein, nicht nur, weil die russische Sprache nicht mehr als gleichberechtigt anerkannt ist, sondern weil überhaupt eine Staatssprache festgelegt wurde, womit Sprachen von Minderheiten, die keine „Staatssprachen“ sind, ausgegrenzt werden. Ein weiteres Prinzip in der nationalen Frage ist die Anerkennung des Rechtes auf Selbstbestimmung der Nationalitäten. Es verteidigt die Rechte der unterdrückten nationalen Minderheiten, so sie denn wollen, auf Autonomie oder auf eine Föderation oder auf Lostrennung. Demnach dürften in der Ukraine allein die nationalen Minderheiten z.B. der RussInnen, RuthenInnen, TartarInnen, UngarInnen, PolInnen und RumäninInnen darüber entscheiden, ob sie die Autonomie innerhalb der bestehenden Ukraine oder eine Föderation innerhalb der jetzigen Staatsgrenzen oder ihre Abtrennung wollen. Dieses Recht ist für die Faschisten, Nationalisten und Neoliberalen der ukrainischen Regierung unannehmbar.In ihrer Ablehnung werden sie von EU und USA unterstützt, was nur heißt, dass die imperialistischen Blöcke Druck auf die Ukraine ausüben, d.h. ihr Selbstbestimmungsrecht verletzen. Besonders heuchlerisch ist die Haltung des „Staates“ EU, in dem die Mitgliedsländer längst auf den Status von Provinzen herabgesunken sind, die aber nach wie vor an den alten Grenzen festhält und z.B. den BaskInnen beiderseits der Pyrenäen, den KatalanInnen, den BretonInnen, den IrInnen, den SchottInnen, den DänInnen Schleswig-Holsteins usw. verweigert, das Selbstbestimmungsrecht bis hin zur Lostrennung wahrzunehmen. Das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten Nationalitäten bis hin zur Lostrennung ist allerdings auch für Russland unannehmbar, weil es die Krimtataren und UkrainerInnen auf der Krim in Anspruch nehmen könnten. Das soll keineswegs heißen, dass die ArbeiterInnenbewegung in der Ukraine die Forderung nach Lostrennung z.B. der KrimtatarInnen und der RussInnen befürworten muss. Im konkreten Fall könnte sie auch für eine Autonomie oder eine Föderation eintreten, zumal die große Mehrheit der dort lebenden RussInnen keine Unabhängigkeit will, sondern Gleichberechtigung und Autonomie. Revolutionäre MarxistInnen sollten für ein drittes Prinzip in der nationalen Frage eintreten und die Einheit und politische Unabhängigkeit der ArbeiterInnenbewegung in der Ost- und Westukraine – d.h. gemeinsame einheitliche Organisationen, Vereine usw. aller ArbeiterInnen – verteidigen: Dies würde nur gehen, wenn die ArbeiterInnenbewegung der Westukraine, d.h. der herrschenden Nationalität, nicht etwa das „Selbstbestimmungsrecht der Ukraine“, sondern das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten nationalen Minderheiten bis hin zur Lostrennung verteidigen würde. Täte sie dies nicht, würde sie ihre politische Unabhängigkeit aufgeben, indem sie in den Chor der Bourgeoisie der herrschenden Nationalität einstimmt. Dagegen sollte die ArbeiterInnenbewegung der unterdrückten russischen Nationalität der Ostukraine nicht etwa den Separatismus der russischen Massenbewegung der Ostukraine, sondern die gemeinsame Organisierung mit der ArbeiterInnenklasse der herrschenden ukrainischen Nationalität betonen. Täte sie das nicht, würde sie mit der Bourgeoisie der unterdrückten Nationalität übereinstimmen und damit ihre politische Unabhängigkeit aufgeben. In beiden Fällen würde die ArbeiterInnenklasse nur dann ihre politische Unabhängigkeit bewahren, wenn sie einen Standpunkt einnehmen würde, der dem der jeweiligen Bourgeoisie entgegengesetzt ist 7 . Lenin fand die Haltung der SDPuL Rosa Luxemburgs in der nationalen Frage zwar falsch. Aber er betonte auch, dass sie grundsätzlich auf der richtigen Seite der Barrikade stehe, da die SDPuL im zum Zarenreich gehörenden Polen einen Standpunkt einnahm, der im völligen Gegensatz zur polnischen Bourgeoisie stand. Das übersehen viele Linke heute.

Gegen die Kriegsgefahr protestieren!
Leider ist feststellen, dass in den meisten der genannten Texte die Gefahr eines Krieges zwischen den imperialistischen Großmächten USA, EU und Russland, die sich in die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in der Ukraine längst eingemischt haben und weiter hineingezogen werden können, ignoriert wird. Diese Kriegsgefahr weckt Befürchtungen bei einem Teil der Lohnabhängigen in der BRD. Nach dem Wegfall der Systemkonfrontation hatten viele Lohnabhängige friedliche Beziehungen zu Russland begrüßt. In ihrem Pazifismus steckt ein fortschrittlicher Kern. Sie empfinden die Ukraine-Politik der Bundesregierung als verlogen, unglaubwürdig, kriegstreiberisch und bedrohlich, weil ähnliche Proteste, wie sie von Merkel und Steinmeier in der West-Ukraine begrüßt wurden, von CDU/CSU-SPD in der Ost-Ukraine verdammt werden. An dieser Kritik gilt es anzuknüpfen. Es ist einen Versuch wert, gegen die drohende Kriegsgefahr zu protestieren. Wichtig ist die Kontaktaufnahme zu Mitgliedern von jüdischen Gemeinden in der BRD, von denen ein erheblicher Teil aus der Ukraine und aus Russland stammt. Bislang galten die Jüdinnen und Juden als unpolitisch, da sie hier fast nie demonstrierten. Viele sind konservativ, wenn nicht antikommunistisch eingestellt. Doch die Ereignisse in der Ukraine, die aufmerksam verfolgt werden, führen bei einer Minderheit zu einem Umdenken, denn es gibt große Befürchtungen über die dortige Entwicklung und das Aufleben des Faschismus und Nationalismus.

Die ArbeiterInnenbewegung und Linke in der Ukraine unterstützen
Trotz taktischer und wichtiger politischer Differenzen sollten die antikapitalistischen Organisationen Borotba und GASLO unterstützt werden 8 . Dass der DGB nicht einmal gegen den Angriff auf das Odessaer Gewerkschaftshaus und die Morde am 2. Mai protestiert hat, obwohl das Datum „2. Mai“ doppelten Anlass dazu geben würde, sollten wir nicht hinnehmen. Zu fordern ist eine gewerkschaftliche Untersuchungskommission im Rahmen einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission, wie es die Duisburger Resolution fordert, die auf der Veranstaltung vom 10.6. im DGB-Haus verabschiedet wurde. Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet, 22.6.2014 1. In ihrer Stellungnahme vom 10.5.2014 geht die isl kaum auf die Bewegung des Maidan ein – vielleicht aus Rücksicht auf ihre Kontakte in der Partei Die Linke? 2. Leo Trotzki, Der einzige Weg, in: Schriften über Deutschland, Bd. 1, S. 357 f. 3. Isaac Deutscher: Die Tragödie des polnischen Kommunismus zwischen den Weltkriegen, Die Internationale, Sept. 1978, S. 75 f. 4. In der Inprekorr Mai-Juni finden sich vier Texte, von denen kein einziger die Unterstützung der USA und der EU für den Euromaidan auch nur erwähnt. Auch der NAO-Text spielt die Rolle der USA herunter vgl. das Kapitel „Imperialistische Brandstifter spielen Feuerwehr …“ 5. Das Programm der „Linken Opposition“ GASLO tut genau das. Hat sie eine eigenes Programm zur „nationalen Frage“? Vgl. GASLO, Sparen? – Zuerst bei den Oligarchen! In: Inprekorr Mai/Juni 2014, S. 25. 6. Larson/Stutar, Die Ukraine und die nationale Frage, Inprekorr Mai/Juni 2014, S. 27. 7. In diesem Punkt ist die Position der NAO nicht klar, die schreibt: „Der Kampf gegen die Zentralregierung muss daher auch mit der Ablehnung jeder imperialistischen Einflussnahme der Putin-Regierung verbunden werden“. Der Separatismus der Bewegung in der Ostukraine wird leider nicht abgelehnt. 8. Borotba befürwortet trotz der Erfahrungen von Tschernobyl (und jetzt von Fukushima) Atomkraftwerke.
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